Es war in den Jahren, da einen1-1 weder die Wissenschaft noch der Geldbeutel durch ihre Schwere drücken, als sich etliche Studenten von Erlangen1-2 aufmachten, um die Welt zu besehen, ob sie auch wirklich so rund sei,1-3 wie der Herr1-4 Professor sagte. Es1-5 waren ihrer1-6 drei, die dies Experiment machen wollten. So1-7 verschieden sie auch sonst waren, in einem1-8 waren sie eins: sie waren drei wackere Musikanten. Der eine sang einen hohen Tenor und brauchte keine Feuerleiter, um zum hohen C hinaufzuklettern; der zweite hatte eine schöne melodische Mittelstimme, und des Basses Grundgewalt1-9 war dem dritten verliehen. In hübschem „wassergeprüften“1-10 Sacke verpackt war das Notenbuch eines jeden umgehängt, um gleich losschießen zu können. Zwei hatten einen ehrlichen Ranzen, der dritte aber hatte von einer „Nichte“1-11 eine Reisetasche, mit Blumenbouquetten verziert, erhalten und trug sie derselben zu Ehren. Die Finanzmittel waren sehr mäßig und auf kein „Hotel du Lac“1-12 oder desgleichen, wohl aber auf die niedere Tierwelt berechnet, auf „Bär“ und „Ochsen,“ „Hirsch“ und „Schwan“ und im Notfall auch auf Heuschober und Tannenbäume. Aber die klingenden Stimmen und die klingende und singende Brust waren mehr wert als die klingenden Münzen. „Hat2-1 man nichts2-2 mehr, dann sieht man auch nichts mehr, so2-3 wird rechts abgeschwenkt und umgekehrt,“ das war die Reiseparole. So die drei.
Es war in den Jahren, in denen weder Wissenschaft noch Geldbeutel durch ihre Schwere drückten, als sich einige Studenten von Erlangen aufmachten, um die Welt zu erkunden, ob sie wirklich so rund sei, wie der Professor sagte. Es waren drei von ihnen, die dieses Experiment durchführen wollten. So unterschiedlich sie auch sonst waren, in einem Punkt waren sie sich einig: sie waren drei tapfere Musiker. Der eine sang einen hohen Tenor und brauchte keine Feuerwehrleiter, um zum hohen C zu gelangen; der zweite hatte eine schöne, melodische Mittelstimme, und die kraftvolle Bassstimme gehörte dem dritten. In hübschen „wassergeprüften“ Sack war das Notenbuch eines jeden umgehängt, bereit, gleich loszulegen. Zwei hatten einen ehrlichen Ranzen, der dritte hingegen hatte von einer „Nichte“ eine Reisetasche, mit Blumenbouquets verziert, bekommen und trug sie zu Ehren derselben. Die finanziellen Mittel waren sehr begrenzt und reichten für kein „Hotel du Lac“ oder etwas Vergleichbares, wohl aber für die niedere Tierwelt, für „Bär“ und „Ochsen“, „Hirsch“ und „Schwan“ und im Notfall auch für Heuschober und Tannenbäume. Aber die klingenden Stimmen und die singende Brust waren mehr wert als klingende Münzen. „Hat man nichts mehr, dann sieht man auch nichts mehr, so wird rechts abgebogen und umgekehrt,“ das war das Reise-Motto. So waren die drei.
Derweilen sie ausziehen und mit feinem Instinkt die Gassen vermeiden, in welchen es noch etwas zu zahlen2-4 gab, ging zu London in Regentstreet Nr.2-5 86 ein großer hagerer Herr, dem man den Engländer auf tausend Schritt ansah, in seiner Stube auf und ab. Auf dem Tische lagen der rote Bädeker,2-6 der auf englisch „Murray“ heißt, und Landkarten. Er hatte offenbar Reisegedanken. Und niemand hinderte ihn daran,2-7 weder sein Weib noch sein Geld. Denn das erste besaß er nicht, desto mehr aber vom zweiten. Ob ihn am Fuß das Zipperlein plagte oder im oberen Stockwerke der Spleen, oder ob er um diese Zeit überhaupt gewohnt war, sich in London unsichtbar zu machen, das weiß der Verfasser nicht zu sagen.—Er öffnete das Fenster und schaute hinaus auf die wogende Straße, auf der sich in der lauen Sommernacht die Leute herumtrieben, klopfte an sein Barometer2-8 und sah nach, wie viel Uhr2-9 es darauf geschlagen,2-10 und klingelte zuletzt. Ein alter rotköpfiger Bedienter in herrschaftlichem Kleide kam herein. „James, wir reisen2-11 morgen um 10 Uhr. Du wirst2-12 die Koffer packen und nichts vergessen. Den Thee habe ich hier, die Maschine ist dort. Sorge für alles, alter Junge, und für Dich selbst. Du weckst mich früh um 6,“ so befahl in weichem Tone der Herr dem Rotkopf.—
While they were leaving and skillfully avoiding the streets where there was still something to pay, a tall, skinny man, obviously English from a distance, was pacing back and forth in his room at 86 Regent Street in London. On the table lay the red Baedeker, which is called "Murray" in English, along with maps. He clearly had travel plans. And no one was stopping him—neither his wife nor his money. For he had none of the first, but plenty of the second. Whether he was troubled by gout in his foot or the blues upstairs, or if he was just used to becoming invisible in London at this hour, the author can't say. He opened the window and looked out at the bustling street, where people were milling about on the warm summer night. He tapped his barometer and checked what time it showed before finally ringing for service. An old, red-haired servant in formal attire entered. "James, we're leaving tomorrow at 10 a.m. You'll pack the suitcases and make sure not to forget anything. I've got the tea here, the machine is over there. Take care of everything, old boy, and of yourself. Wake me up early at 6," the man commanded softly to the redhead.
„Gehen wir weit?“ fragte dieser den Herrn, „und auf3-1 wie lange ungefähr?“
„Are we going far?“ this one asked the gentleman, “and for how long approximately?”
„Nun, James, ein paar Wochen werden uns gut thun. Wohin, das weiß ich selbst noch nicht, wir gehen zuerst nach dem Kontinent, und das andere findet3-2 sich.“
„Well, James, a couple of weeks will do us good. Where, I don't even know myself yet, we're going first to the continent, and the rest will work itself out.”
Am nächsten Morgen fuhren die beiden nach London Bridgestation und sausten mit dem Zuge nach Dover.3-5
Am nächsten Morgen fuhren die beiden nach London Bridgestation und nahmen den Zug nach Dover. 3-5
Derweilen aber stieg im lieben, deutschen Vaterlande ein Pärchen in die bekränzte Hochzeitskutsche. Sie kamen vom Hochzeitsaltar und Hochzeitsessen und hatten sich in der Stille davongemacht. Nur die Mutter der Braut war mitgegangen und hatte dem Töchterlein das graue Reisekleid angelegt und es3-6 mit Thränen gesegnet. Es ist ja freilich nur ein Schritt aus dem Elternhause in die Hochzeitskutsche, aber es ist eben nicht ein Schritt wie ein anderer. Darum schaute ihr die Mutter noch lange nach, bis der Wagen um die Waldecke bog und ihren3-7 Blicken entschwand. Die zwei freuten sich, daß sie endlich ohne Onkel und Tanten waren und fuhren fröhlich in die Welt hinein zur Eisenbahnstation.
Meanwhile, in the dear German homeland, a couple climbed into the decorated wedding carriage. They had just left the wedding altar and reception, slipping away quietly. Only the bride’s mother had accompanied them, dressing her daughter in a gray traveling dress and blessing it with tears. It really is just a step from the family home to the wedding carriage, but it's not just any step. That's why the mother watched them for a long time until the carriage rounded the corner of the woods and disappeared from her view. The two were happy to finally be without uncles and aunts, and they joyfully drove off into the world toward the train station.
„Nun geht’s3-8 in die weite, weite Welt hinein, liebes Kind,“ sagte der junge Mann, „da wirst du, Sandhase,3-9 deine blauen Wunder sehen.“
„Now we're heading out into the big, wide world, dear child,“ said the young man, „there, little Sand Rabbit, you will see your blue wonders.“
So fuhren die zwei von dannen und wußten nicht, daß der Landgerichtsassessor Robert Berneck aus Buchau4-6 im bayrischen Wald sich bereits Jahre lang4-7 auf eine Reise gefreut hatte. Endlich hatte er Urlaub erhalten. Ein stiller Mondschein4-8 lagerte sich schon über das Haupt des Mannes, wiewohl er erst in dem Anfang der Vierzig stand. Das Amtsleben hatte ihm das ganze bayrische4-9 Wappen, den Löwen mitsamt den blauweißen Weckschnitten derart ins4-10 Gesicht gestempelt, daß kaum noch eine Spur des eigentlichen Menschen zu sehen war, der in früheren Jahren nicht so ganz übel4-11 gewesen sein mochte.—Er hatte lange zu thun, bis er seine Siebensachen bei einander hatte. Nachgerade hatte er sich an so viele Bedürfnisse gewöhnt, und vorsorglich für alle Zukunft wanderte4-12 in das Ränzlein, das er noch aus alten Tagen besaß, eine ganze Haushaltung nebst einer Apotheke. Utensilien, wie Salben für frisch gelaufene Blasen an den Füßen, Opodeldoc4-13 für mögliche Verletzungen, Kamillenthee für Leibschneiden, Storchenfett für Entzündungen waren nicht vergessen. Eine neue graue Joppe mit grünem Aufschlag, ein spitziger Tyrolerhut mit Gemsbart,5-1 alles elegant5-2 hergestellt nach seiner Angabe, vollendeten den Anzug. Bergschuhe, mit dicken Nägeln beschlagen, wurden angezogen, und der Alpenstock, den er von einem Freund geerbt hatte, stand auch bereit. Als seine Lena, die niederbayrische Haushälterin, hereintrat und ihren Herrn so sah, schlug sie die Hände zusammen und meinte im stillen, ihr Herr sei5-3 wohl nicht ganz bei Trost.5-4 Denn bisher hatte sie ihn nur in seinem ehrbaren Landassessorrock und in der Mütze mit der Krone5-5 und dem „L“ darunter gesehen und hatte jedesmal vor ihm einen Knix gemacht, als ob er die „Hochwürden“ des Orts wäre,5-6 jetzt aber war er ihr5-7 ganz in die Abteilung „Mensch“5-8 heruntergesunken.
So the two of them went on their way, unaware that the district court assessor Robert Berneck from Buchau in the Bavarian Forest had been looking forward to a trip for years. He had finally received time off. A quiet moonlight was already casting its glow over the man's head, even though he was only in his early forties. His job had stamped the entire Bavarian coat of arms, the lion along with the blue and white pastries, so deeply into his face that hardly any trace of the real person was visible—someone who, in earlier years, might not have been so bad. He had a lot to do before he could get his belongings in order. Gradually, he had grown accustomed to so many necessities, and to prepare for any future needs, he packed a whole household kit, along with a pharmacy, into the little backpack he still had from the old days. Items like ointments for fresh blisters on his feet, Opodeldoc for possible injuries, chamomile tea for stomach aches, and stork fat for inflammation were not forgotten. A new gray coat with a green collar, a pointed Tyrolean hat with a chamois beard, all elegantly made to his specifications, completed his outfit. He put on hiking boots with thick nails and had the Alpine walking stick he inherited from a friend ready as well. When his housekeeper Lena from Lower Bavaria walked in and saw her master like this, she clasped her hands together and thought to herself that her master must not be quite in his right mind. Until now, she had only seen him in his respectable assessor's coat and the cap with the crown and the "L" underneath, and had always curtsied before him as if he were the local dignitary, but now he seemed to have entirely descended into the realm of a "normal human being."
„Nun, Lena, gefall’ ich dir nicht so?“ meinte der Landgerichtsassessor. „Ja,“ sagte sie, „jung schaun’s schon völlig aus, aber halt a bissel verputzelt und kennen thut’s Ihna koan Mensch hier in der Gegend.“
„So, Lena, don’t you like me?“ said the district court assessor. “Yeah,” she replied, “you look young enough, but you're kind of rough around the edges, and nobody here knows who you are.”
„Das will ich gerade, Lena. Ich will Mensch sein, ganzer, voller Mensch, und hingehen, wo mich niemand kennt und ahnt, daß ich ein Beamter bin.“
„That's exactly what I want, Lena. I want to be a whole, complete person, and go somewhere where no one knows me and suspects that I’m a bureaucrat.“
„A Mensch will er sein,“ murmelte die Lena vor5-9 sich, „sonst hat er als5-10 gesagt, daß er a Aktenvieh sei.“
„A mensch he wants to be,“ murmured Lena to herself, “otherwise he said he's just a paper pusher.”
„Morgen geht’s5-11 fort, Lena, hier sind die Schlüssel, und wecken thust mich auch, denn ich muß fort,5-12 eh’ mich einer von den Herren hier sieht.“
„Tomorrow, we’re leaving, Lena, here are the keys, and make sure to wake me up because I need to go before any of the gentlemen here see me.”
„Da haben’s völlig recht,“ meinte die Lena, „denn koan Mensch thät’s Ihna für unsern gnädigen6-1 Herrn halten.“
„You're absolutely right,“ said Lena, „because no one would think of you as our gracious 6-1 lord.“
Des Morgens früh blies der himmelblaue6-2 Postillon hinaus in die frische Morgenluft. Der Postexpeditor schmunzelte, als er den Landgerichtsassessor so „verputzelt“ sah und wünschte „allerseits6-3 eine glückliche Reise.“ Nach fünf Stunden saß die graue Joppe im Eisenbahncoupé und that völlig fremd den Reisenden gegenüber.
Des Morgens früh blies der himmelblaue6-2 Postillon hinaus in die frische Morgenluft. Der Postexpeditor schmunzelte, als er den Landgerichtsassessor so „verputzelt“ sah und wünschte „allerseits6-3 eine glückliche Reise.“ Nach fünf Stunden saß die graue Joppe im Eisenbahncoupé und tat völlig fremd den Reisenden gegenüber.
Und wieder saßen derweilen im Zuge von Stuttgart6-4 her eine trotz ihrer Dreißig noch jugendlich aussehende Dame mit drei gleichgekleideten jungen Mädchen von fünfzehn bis siebzehn Jahren. Wer6-5 sich einigermaßen auf Menschen zu verstehen glaubte, dem schien es ganz klar: „Institutsvorsteherin nebst drei Pflegebefohlenen.“ Die letzteren mußten wohl von denen6-6 sein, die zur geringen Freude der ersteren auch die großen Ferien dableiben, weil ihre Eltern selbst verreist sind. Anna, Lina und Elsa hießen die drei Mädchen, die immer lachten, wenn6-7 sie der Blick ihrer Hüterin nicht traf. Denn alles kam ihnen lächerlich vor. Jugendlust und Freude, Unschuld und Kindlichkeit schauten aus den6-8 Augen, sie schienen so froh, dem6-9 Schulszepter entronnen zu sein, und wären,6-10 wenn man sie aufs Gewissen gefragt hätte, am liebsten allein gereist. Und doch schaute die Dame nicht grämlich drein; nur dann, wenn6-11 das Lachen zu toll wurde, oder wenn eine aus der wohlgefüllten Reisetasche einen allzugroßen Brocken hinunterwürgen wollte, sah sie mahnend auf. Wenn sie aber still einmal schlief, da zuckte es7-1 über die schönen Züge wie Sonnenschein, als dächte7-2 sie ihrer eigenen schönen Jugendtage.
Und wieder saßen währenddessen im Zug nach Stuttgart eine Frau, die trotz ihrer dreißig Jahre noch jugendlich aussah, mit drei gleich gekleideten Mädchen im Alter von fünfzehn bis siebzehn Jahren. Wer auch nur ein bisschen Menschenkenntnis hatte, merkte schnell: „Das ist die Leiterin eines Instituts mit drei Schützlingen.“ Die Mädchen mussten wohl zu denen gehören, die zur geringen Freude der Leiterin die großen Ferien hier verbringen, weil ihre Eltern selbst verreist sind. Die drei Mädchen hießen Anna, Lina und Elsa und lachten immer, wenn der Blick ihrer Aufpasserin sie nicht traf. Denn alles erschien ihnen lächerlich. Lebensfreude, Unschuld und Kindlichkeit strahlten aus ihren Augen, sie schienen so glücklich, dem Schulalltag entkommen zu sein, und hätten, wenn man sie gefragt hätte, am liebsten allein gereist. Und doch schaute die Dame nicht grimmig drein; nur wenn das Lachen zu ausgelassen wurde oder wenn eines der Mädchen in der gut gefüllten Reisetasche einen zu großen Bissen nehmen wollte, sah sie mahnend auf. Wenn sie jedoch einmal ruhig schlief, zog es sich über ihr schönes Gesicht wie Sonnenschein, als würde sie an ihre eigenen schönen Jugendtage denken.
So verschieden diese sämtlichen Reisenden auszogen, keiner dachte, daß sie sich alle an einem7-3 Orte unter einem Dache finden würden, und doch geschah es so. Alle hatten dasselbe Ziel gewählt: das Salzkammergut.7-4 Die einen wollten von da über die Tauern7-5 hinuntersteigen nach Kärnthen7-6 und von da hinab nach Italien—die andern kamen schon daher und wollten den Weg durchs Salzkammergut zurück.7-7
So different as all these travelers set out, no one thought they would all meet in one7-3 place under one roof, and yet it happened. They all chose the same destination: the Salzkammergut.7-4 Some wanted to descend from there over the Tauern7-5 down to Carinthia7-6 and from there down to Italy—others were already coming from that direction and wanted to return through the Salzkammergut.7-7
Die Studenten waren im Stellwagen, der von Werfen7-8 nach Lend fährt, bereits mit der „Institutsvorsteherin“ bekannt geworden, die mit ihren Pflegebefohlenen vorn im Coupé saß. Aber freilich nicht so,7-9 daß sie einander gesehen hätten. Das7-10 geschah aber so: Auf der Fahrt flatterte ein blauer Schleier aus dem Coupé lustig heraus am Wagen hin, worin hinten die Studios saßen. Da dachte der eine:7-11 „Wer mag wohl7-12 hinter dem blauen Schleier sein?“ Er träumte sich in den Gedanken hinein und zuletzt ward7-13 der Schleier bei seiner Flatterhaftigkeit7-14 festgehalten und mittelst einer Stecknadel ihm ein beschriebener Zettel angesteckt. Der Vers war von den dreien in Kompagnie geschmiedet und lautete:
Die Studenten waren im Stellwagen, der von Werfen7-8 nach Lend fährt, bereits mit der „Institutsvorsteherin“ bekannt geworden, die mit ihren Pflegekindern vorn im Coupé saß. Aber natürlich nicht so,7-9 dass sie einander gesehen hätten. Das7-10 geschah aber so: Auf der Fahrt flatterte ein blauer Schleier aus dem Coupé fröhlich heraus am Wagen hin, wo hinten die Studenten saßen. Da dachte einer:7-11 „Wer könnte wohl7-12 hinter dem blauen Schleier sein?“ Er verlor sich in seinen Gedanken und schließlich wurde7-13 der Schleier durch seine Flatterhaftigkeit7-14 festgehalten, und mit einer Stecknadel wurde ihm ein beschriebener Zettel angesteckt. Der Vers war von den dreien zusammen geschmiedet und lautete:
Er flatterte hinüber und ward dort angehalten. Man hörte von drüben nichts als ein Kichern und Lachen, und bald darauf flatterte der Schleier wieder hinaus in die Luft. Ein neuer Zettel war angesteckt. Und darauf stand:
Er flatterte hinüber und wurde dort aufgehalten. Man hörte von drüben nur Kichern und Lachen, und bald darauf flatterte der Schleier wieder hinaus in die Luft. Ein neuer Zettel war angeheftet. Und darauf stand:
Wieder ward der Schleier von den dreien gefangen, der Zettel abgenommen und bald flatterte wieder ein neuer Vers hinüber:
Wieder wurde der Schleier von den dreien gefangen, der Zettel abgenommen und bald flatterte wieder ein neuer Vers hinüber:
Als man in Lend ausstieg, wo sich der Weg teilt nach der Gastein9-1 durch die finstere Klamm, und nach Zell9-2 am See dem Pinzgau9-3 zu—trafen die Studenten mit ihren Korrespondentinnen zusammen. Der zweite Tenor schritt auf die „Vorsteherin“ zu9-4 und entschuldigte sich in wohlgesetzten Ausdrücken über9-5 die Freiheit, die sie sich erlaubt. „Sie haben sich nicht zu entschuldigen, Sie haben uns durch Ihre Verse und Ihren Gesang die Fahrt verschönert. Hier in der herrlichen Natur ist auch dem Menschen mehr gestattet als in den dumpfen Städten,“ antwortete das Fräulein. Die drei jungen Mädchen kicherten sich9-6 wieder an, als sie die flotten Poeten sahen und gaben verlegen Antwort auf ihre Fragen. Nach einer Stunde trennte man sich.9-7 Die Studenten zogen dem Pinzgau zu, das Fräulein mit ihrem Anhang hinauf nach Gastein. Man wünschte sich9-8 allerseits eine glückliche Reise. Die Studenten sangen am Postwagen noch eins9-9 von den blauen Augen:
Als man in Lend ausstieg, wo sich der Weg nach der Gastein9-1 durch die dunkle Schlucht teilt und nach Zell9-2 am See dem Pinzgau9-3 zu—trafen die Studenten ihre Korrespondentinnen. Der zweite Tenor ging zur „Vorsteherin“9-4 und entschuldigte sich in wohlformulierten Worten für9-5 die Freiheit, die sie sich erlaubt hatten. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Sie haben uns mit Ihren Versen und Ihrem Gesang die Fahrt verschönert. Hier in der wunderschönen Natur ist mehr erlaubt als in den tristen Städten,“ antwortete das Fräulein. Die drei jungen Mädchen kicherten9-6 erneut, als sie die lebhaften Poeten sahen, und gaben verlegen Antworten auf ihre Fragen. Nach einer Stunde trennten sich ihre Wege.9-7 Die Studenten machten sich auf den Weg zum Pinzgau, während das Fräulein mit ihrer Gruppe hinauf nach Gastein ging. Man wünschte sich9-8 gegenseitig eine gute Reise. Die Studenten sangen im Postwagen noch ein weiteres9-9 Lied von den blauen Augen:
Meiner Liebsten blaue Augen Meiner Liebsten blaue Augen |
Die blauen Schleier nickten dankend und fuhren hinauf den steilen Weg.—
Die blauen Schleier nickten dankbar und fuhren den steilen Weg hinauf.
Auf dem Pasterzengletscher,9-10 der sich hinter dem Fuscherthal9-11 hinaufdehnt, schritt eine hagere Gestalt in verwittertem9-12 Lodenkittel, grünen, hohen Strümpfen und spitzem Hut einem etwas behäbigen Herrn voran, der öfters stehen blieb und sich10-1 den Schweiß von der Stirn wischte. So sicher der Alte trotz des schweren Ranzens und dicken Plaids einherstieg, immer schweigend und ruhig voran, so keuchend kam der zweite hinterher. Das Alpensteigen schien ihm ein ungewohntes Geschäft und Vergnügen zu sein, und er machte ein so verzweifeltes Gesicht, als wollte10-2 er zu sich selber sagen: „Das war wieder einmal ein mordsdummer Streich von dir, daß du dich hast da hinauf locken lassen,10-3 du hättest10-4 auch die Berge von unten ansehen können.“ Aber jetzt war10-5 nichts mehr zu machen, zurück war der Weg noch mühsamer als hinauf, darum vorwärts über den Schnee und die Eisschrunden!
Auf dem Pasterzengletscher, der sich hinter dem Fuscherthal hinzieht, ging eine schlanke Gestalt in einem abgetragenen Lodenkittel, grünen, hohen Strümpfen und einem spitzen Hut einem etwas schweren Herrn voraus, der öfter stehen blieb und sich den Schweiß von der Stirn wischte. So sicher der Alte trotz des schweren Rucksacks und dicken Plaids vorankam, immer schweigend und ruhig, so keuchend folgte der zweite ihm nach. Das Aufsteigen in den Alpen schien ihm fremd und anstrengend zu sein, und er machte ein so verzweifeltes Gesicht, als wollte er zu sich selbst sagen: „Das war mal wieder ein echt dummer Fehler von dir, dass du dich da hinauf hast locken lassen, du hättest die Berge auch von unten anschauen können.“ Aber jetzt gab es nichts mehr zu machen, zurück war der Weg noch mühsamer als nach oben, darum weiter über den Schnee und die Eisstellen!
„Geben’s fein Obacht, daß10-6 nit fall’n und nit z’ lang stehen bleiben! Dös thut koan gut,“ mahnte der alte Führer.
„Achtet darauf, dass10-6 nicht fallen und nicht zu lange stehen bleiben! Das bringt keinen Vorteil,“ mahnte der alte Führer.
„Ja, Ihr10-7 habt gut reden,“ keuchte der Hintermann. „Ihr seid die Sach’ gewohnt, aber unsereins,10-8 was alleweil in der Stuben sitzt, brächt’s10-9 halt nit fertig.“
„Yeah, you have it easy,“ gasped the guy in the back. „You’re used to this stuff, but for someone like me, who always stays indoors, it just doesn’t work out.“
Der geneigte Leser merkt, wen er vor sich hat. Es ist unser Landgerichtsassessor, der so keucht und spricht. Hundertmal hat er schon den Pasterzengletscher und alle anderen Gletscher in der Welt verwünscht und an seine Lena gedacht, die es jetzt so gut habe,10-10 weil ihr Herr fort sei, und er hatte sich doch10-11 so auf die Sommerfrische gefreut und sich einmal recht „auslaufen“ wollen. Jetzt that ihm jeder Knochen weh, und nur eins tröstete ihn: eine Rast im Tauernhause,10-12 die ihm in baldige Aussicht gestellt wurde.
Der aufmerksame Leser erkennt, wer vor ihm steht. Es ist unser Landgerichtsassessor, der so keucht und spricht. Hundertmal hat er bereits den Pasterzengletscher und alle anderen Gletscher der Welt verflucht und an seine Lena gedacht, die es jetzt so gut hat, weil ihr Herr fort ist, und er hatte sich doch so sehr auf den Sommer gefreut und wollte sich richtig „auslaufen“. Jetzt tat ihm jeder Knochen weh, und nur eines tröstete ihn: eine Pause im Tauernhaus, die ihm bald in Aussicht gestellt wurde.
Sie11-1 sollte ihm eher, als er dachte, zu teil werden.
Sie11-1 should come to him sooner than he thought.
Der alte Führer stand nämlich plötzlich still, schaute nach allen Seiten hin und witterte wie ein Gemsbock in die Luft hinaus. Er beobachtete genau den Zug der Wolken, den Schnee unter den Füßen und die einzelnen Bergspitzen. Der Landgerichtsassessor spitzte auch die Ohren so hoch wie sein spitziger Tyrolerhut, aber er merkte trotz allen Spitzens11-2 nichts. Endlich brach der Alte das Schweigen und sagte: „Gnädiger11-3 Herr! Können’s Ihnen nit a bissel anstrengen? Es ist so a Schneetreiben im Anzug und gut wär’s schon, wenn m’r unterkimmet!“ Das fuhr dem Assessor in die Glieder, denn er hatte in Geschichten schauriges vom Schneetreiben gelesen. „’s ist doch11-4 nicht gefährlich?“ sagte er halblaut.
Der alte Führer blieb plötzlich stehen, schaute in alle Richtungen und schnüffelte wie ein Bergziege in die Luft. Er beobachtete genau den Zug der Wolken, den Schnee unter seinen Füßen und die einzelnen Bergspitzen. Der Landgerichtsassessor spitzte auch die Ohren so hoch wie seinen spitzen Tyrolerhut, aber er merkte trotz aller Aufmerksamkeit nichts. Schließlich brach der Alte das Schweigen und sagte: „Gnädiger Herr! Können Sie sich nicht ein bisschen anstrengen? Es sieht nach einem Schneetreiben aus und es wäre gut, wenn wir einen Unterschlupf finden!“ Das ließ den Assessor frösteln, denn er hatte in Geschichten Gruseliges über Schneetreiben gelesen. „Das ist doch nicht gefährlich?“ sagte er halblaut.
„Ha, g’fährlich is11-5 rechtschaffen schon, wenn wir noch auf’m Eis sind. Aber so schnell kommt’s grad nit.“
„Ha, it's dangerous11-5 to be righteous already, when we’re still on thin ice. But it doesn’t happen that quickly.“
Der Assessor vergaß seine Blasen und seine nassen Füße und trieb zur Eile. Der Alte verbiß sich das Lachen über seinen Trabanten. Sie stiegen rüstig zu. Ringsumher ward es immer finsterer, die Bergspitzen gingen in leichtes Grau über, und dem Assessor jagten schon einzelne spitzige, eisharte Körner ins Gesicht. „Das ist der Anfang vom Schneetreiben,“ sagte er vor sich hin,11-6 und vor seinem Geiste stand die behagliche Amtsstube in Buchau, wo im Winter der Buchklotz knallte und der Amtsdiener fragte: „’s wird11-7 dem Herrn Assessor doch nicht zu kalt sein?“—Nach stundenlangem Marsche, auf welchem jeder so seine eigenen Gedanken hatte, während der Schnee immer dichter fiel, zeigte sich in der Ferne ein Haus.
Der Assessor vergaß seine Blasen und seine nassen Füße und drängte zur Eile. Der Alte konnte sich das Lachen über seinen Begleiter nicht verkneifen. Sie stiegen zügig ein. Es wurde überall immer dunkler, die Bergspitzen verwandelten sich in ein leichtes Grau, und dem Assessor flogen schon einzelne spitze, eisige Schneekörner ins Gesicht. „Das ist der Anfang vom Schneetreiben,“ murmelte er vor sich hin, und in seinem Kopf erschien die gemütliche Amtsstube in Buchau, wo im Winter der Holzblock knallte und der Amtsdiener fragte: „’s wird dem Herrn Assessor doch nicht zu kalt sein?“—Nach stundenlangem Marsch, während jeder in Gedanken versunken war und der Schnee immer dichter fiel, tauchte in der Ferne ein Haus auf.
„Dös ist das Tauernhaus, gnädiger Herr, do können’s Ihna ausruhen.“
„This is the Tauern house, kind sir, where you can rest.“
„Wie weit ist’s noch bis hin?“12-1 fragte der Assessor.
„How much further is it?” 12-1 asked the assessor.
„Ha, so a zwanzig Büchsenschuß12-2 werden’s12-3 völlig sein,“ meinte der Alte. Der Assessor wußte jetzt gerade so viel wie vorher. Denn er hatte mit Büchsenschüssen nur bei Gelegenheit von Forstfreveln zu thun und wußte über die Tragweite des Geschosses keinen weitern Bescheid.
„Ha, so with twenty shots from a rifle, it will be completely fine,“ said the old man. The assessor now knew just as much as before. Because he had only dealt with rifle shots in the context of forestry offenses and had no further knowledge about the implications of the projectile.
Endlich erreichten sie im dicksten Gestöber das Haus. Der Alte schob den Riegel an der Thür zurück, schüttelte den Schnee vom Lodenrock und vom Ranzen, den er abwarf, und schritt mit seinem Herrn der Thüre zu. Als sie dieselbe öffneten, drang ihnen ein warmer Duft entgegen, der dem Assessor die Hitze in die vom12-4 Schneetreiben gehörig verarbeiteten Wangen jagte.
Endlich erreichten sie im dicksten Gestöber das Haus. Der Alte schob den Riegel an der Tür zurück, schüttelte den Schnee von seinem Lodenrock und von dem Ranzen, den er ablegte, und ging mit seinem Herrn zur Tür. Als sie sie öffneten, strömte ihnen ein warmer Duft entgegen, der dem Assessor die Hitze in die vom12-4 Schneetreiben gehörig verarbeiteten Wangen jagte.
Eine bunte Gesellschaft saß schon an den Tischen12-5 und wandte sich neugierig nach dem Ankömmling um, der sofort auch vom Kopf bis zur Fußsohle gemustert ward. Der Assessor grüßte verlegen zuerst nach den Damen hinüber, deren12-6 vier auf einem Klümplein bei einander saßen, eine ältere und drei jüngere. Neben ihnen saß ein junges Paar. Alle hatten sich’s bequem gemacht. Um den großen Ofen hingen die nassen Kleider und dampften aus, und zwölf Schuhe standen unten und warteten aufs Trocknen. Es ist so etwas eigenes, wenn Leute sich’s schon heimisch gemacht haben in einem Gasthause, als ob sie da zu Hause wären,13-1 und dann einem Wildfremden, der noch dazukommt, zuschauen, bis dieser sich auch langsam häuslich niederläßt. Die ersteren haben das Gefühl der Sicherheit und schauen von ihrem festen Sitze herunter auf den, der sich erst seine Unterkunft gründen muß. Der Assessor suchte sich13-2 eine Ecke aus, dicht unter dem grobgeschnitzten Kruzifix,13-3 das aus den verdorrten Palmsonntags-Birkenzweigen hervorschaute, in die sich die Fliegen als ihr Nachtquartier verzogen, und bestellte sich einen roten Tyroler.13-4 Lang saß er nicht allein, denn draußen hörte man13-5 Stimmen, und drei junge Leute traten dicht beschneit herein. Die drei jungen Damen schauten auf und steckten die Köpfe zusammen und kicherten, als sie dieselben hereinkommen sahen. „Da sind sie wieder,“ sagte die kluge Elsa, „ganz gewiß sie sind’s.“13-6 Ja, sie waren’s, die Studenten vom Werfener Stellwagen her.
Eine bunte Gruppe saß schon an den Tischen12-5 und drehte sich neugierig zum Ankömmling um, der sofort von Kopf bis Fuß mustergültig betrachtet wurde. Der Assessor grüßte verlegen zuerst die Damen, deren12-6 vier auf einem kleinen Tisch beisammen saßen, eine ältere und drei jüngere. Neben ihnen saß ein junges Paar. Alle hatten es sich bequem gemacht. Um den großen Ofen hingen die nassen Kleider und dampften, und zwölf Schuhe standen unten und warteten darauf, trocken zu werden. Es ist etwas Eigenes, wenn sich Leute in einem Gasthaus schon wie zu Hause fühlen,13-1 und dann einem Wildfremden zuschauen, bis er sich auch langsam heimisch niederlässt. Die anderen haben das Gefühl der Sicherheit und blicken von ihrem festen Platz auf den, der sich erst seine Unterkunft einrichten muss. Der Assessor suchte sich13-2 eine Ecke aus, direkt unter dem grob geschnitzten Kruzifix,13-3 das zwischen den vertrockneten Palmsonntags-Birkenzweigen hervorschaute, wo sich die Fliegen als ihr Nachtquartier niedergelassen hatten, und bestellte sich einen roten Tyroler.13-4 Lang saß er nicht allein, denn draußen hörte man13-5 Stimmen, und drei junge Leute traten frisch verschneit herein. Die drei jungen Damen schauten auf, steckten die Köpfe zusammen und kicherten, als sie die Neuen hereinkommen sahen. „Da sind sie wieder,“ sagte die kluge Elsa, „ganz gewiss, das sind sie.“13-6 Ja, das waren sie, die Studenten vom Werfener Stellwagen.
„Hatten Sie keinen Führer?“ fragte die Dame, über die letzte Artigkeit13-10 etwas lächelnd.
„Did you not have a guide?” asked the lady, smiling slightly at the last politeness13-10.
„Führer? Jamais!13-11 Wir gehören zum Verein „Selbsthilfe“. ‚Als13-12 der Nase nach,‘13-13 hatte der letzte Senne gesagt, ‚da können’s nit fehlen.’ Und da sind wir endlich mit unsern verfrorenen Nasen hier aufgestoßen, als wir das Licht flimmern sahen, denn von Nasen war rein nichts mehr zu sehen, so14-1 rot sie auch funkelten.“
„Leader? Never!13-11 We belong to the "Self-Help" group. ‘By the nose,’13-12 the last herdsman said, ‘you can’t miss it.’ And here we are, finally showing up with our frozen noses, when we saw the flickering light , because there was nothing left to see of noses, no matter how14-1 red they sparkled.”
Die drei standen immer noch, der Assessor verwunderte sich und gedachte der schönen Zeit, wo auch er sich einst die Freiheit genommen,14-2 ohne weiteres mit wildfremden Mägdlein anzubinden. Das Pärchen aber begriff bald den Zusammenhang der Sache und freute sich des Wiedersehens der Fremden, denn in aller Eile hatten die geschwätzigen drei Elstern14-3 den jungen Eheleuten von ihrer Begegnung mit den Studenten und von den Gedichten erzählt.
Die drei standen immer noch da, der Assessor war überrascht und dachte an die schöne Zeit, als auch er sich einmal die Freiheit genommen hatte, ohne weiteres mit wildfremden Mädels anzubandeln. Das Paar verstand jedoch schnell den Zusammenhang und freute sich, die Fremden wiederzusehen, denn in der ganzen Eile hatten die geschwätzigen drei Elstern den jungen Eheleuten von ihrer Begegnung mit den Studenten und von den Gedichten erzählt.
Dem dicken Tauernwirt dauerte die Sache mit der Vorstellung etwas zu lange, und er fragte darum die drei: „Schaffen’s auch einen roten Tyroler—?“
Dem dicken Tauernwirt dauerte die Sache mit der Vorstellung etwas zu lange, und er fragte darum die drei: „Kriegt ihr auch einen roten Tyroler—?“
„Ja freilich, teurer Onkel,“14-4 rief der Baß, „roten und weißen und grauen, wie’s kommt, nur etwas nasses bei dem nassen Wetter.“
„Yes, of course, dear Uncle,“ 14-4 shouted the bass, “red and white and gray, whatever you have, just something wet in this rainy weather.”
Der Assessor lachte wieder in seiner Ecke und rückte etwas näher. So war er auch einst in eine Herberge gefallen und hatte gefragt: „Herr Wirt! Was kostet das Mondviertel in Essig und Öl, ich zahl’s.“ Die drei setzten sich zu ihm, er stellte sich vor, und bald waren sie im tiefsten Gespräch. Der Assessor war froh, daß eine goldene Brücke von ihm zu den Damen hinüber geschlagen war, denn er fühlte sich längst zu irgend einer passenden Rede verpflichtet und hatte nur nicht gewußt, wie sie anbringen. Jetzt wurde auch er durch die Studenten vorgestellt, und die Tische rückten zusammen. Man erzählte sich,14-5 woher man kam. Das Pärchen, das15-1 wir von früher kennen und in die Hochzeitskutsche geleitet haben, kam von Italien herauf, die Damen von Gastein kamen ebenfalls daher, die Studios hatten sich im Pinzgau herumgetrieben und kamen den Weg des Assessors.
Der Assessor lachte wieder in seiner Ecke und rückte etwas näher. So war er auch einmal in eine Herberge geraten und hatte gefragt: „Hey Wirt! Was kostet das Mondviertel in Essig und Öl? Ich zahl's.“ Die drei setzten sich zu ihm, er stellte sich vor, und bald waren sie in ein tiefes Gespräch vertieft. Der Assessor war froh, dass er eine goldene Brücke zu den Damen geschlagen hatte, denn er fühlte sich schon lange dazu verpflichtet, etwas Passendes zu sagen, wusste aber nicht, wie er anfangen sollte. Jetzt wurde auch er durch die Studenten vorgestellt, und die Tische ruckten näher zusammen. Man erzählte sich, woher man kam. Das Paar, das wir von früher kennen und zur Hochzeitskutsche geleitet haben, kam aus Italien, die Damen von Gastein kamen ebenfalls daher, die Studenten hatten sich im Pinzgau herumgetrieben und trafen auf den Weg des Assessors.
„Ich muß mir nur15-2 einmal die Wirtschaft hier ansehen, Ihr Leute,“ sagte der zweite Tenor, „denn das ist immer das erste,“15-3 und fort war er. Nach einer starken Viertelstunde kam er von seiner Entdeckungsreise zurück.
„I just need to check out the economy here, you guys,“ said the second tenor, “because that’s always the first thing,” and off he went. After a solid quarter of an hour, he returned from his little exploration.
„Nun, wie schaut’s15-4 aus?“ riefen die zwei andern Studenten.
„So, wie sieht's aus?“ riefen die zwei anderen Studenten.
„Wie’s ausschaut? Gar nicht ausschauen thut’s.15-5 Draußen heult’s und stürmt’s, und wenn’s so fortmacht, so sind wir morgen alle hier eingeschneit, daß an ein Fortkommen nicht zu denken ist. Das ist das erste. Zum15-6 andern: mit dem Schlafen ist’s alle15-7 für diese Nacht. Der bessere und schönere Teil der menschlichen Gesellschaft, diese Damen hier, werden auf Stroh schlafen. Für Mannspersonen aber ist kein Raum in dieser Hütte. Das einzige Bett hat ein natureller Engländer inne, und zu seinen Füßen wird sein Sancho Pansa15-8 schlafen, ein Rotkopf, sage ich Euch, so brennend, daß man die Pfeife an ihm anzünden kann. Der Engländer kocht sich eben seinen Thee auf höchsteigner Maschine, und der Rotkopf hilft ihm. Er fragte mich, da die Thür offen stand, etwas auf englisch, und ich sagte ihm mein einziges englisches Wort, aber fein,15-9 ‚Yes’ sagte ich, und damit war’s gut.15-10—Aber das beste habt Ihr nicht gesehen: Da hinten15-11 sitzt Euch15-12 in einem Mordsqualm eine Stube voll biedrer15-13 Leute bei einander, alte und junge, Kerls16-1 wie die Gemsböcke und wie die alten Tannen mit weißem Flechtenmoos behaftet, und dazwischen am Spinnrocken sitzt ein Mägdlein mit treuherzigen blauen Augen. Die erzählen sich16-2 Geschichten, aber zu verstehen ist16-3 kein Wort. Aber in der Küche da prasselt’s,16-4 da giebt’s Kaiserschmarren und Krapfen. Zu essen giebt’s genug, das ist immerhin anerkennenswert. Wir bleiben hier unten16-5 und richten uns häuslich ein für diese Nacht. So, nun wißt Ihr Bescheid, und die Verhandlung kann beginnen. Herr Assessor—comment16-6 trouvez-vous cela?—sagt der Franzose, und der Deutsche fragt: „Um Vergebung, was ist Ihre geneigte Ansicht hierüber?“
„What's it look like? It doesn't look good at all.15-5 Outside, the wind is howling and it's storming, and if it keeps up like this, we'll all be snowed in here by tomorrow, making it impossible to get out. That's the first thing. As for15-6 the second: sleeping is off the table15-7 for this night. The finer and more refined members of society, these ladies here, will be sleeping on straw. But there’s no room for men in this hut. The only bed is occupied by a natural Englishman, and at his feet sleeps his Sancho Panza15-8, a redhead, I tell you, so fiery that you could light your pipe on him. The Englishman is brewing tea on his very own machine, and the redhead is helping him. He asked me something in English since the door was open, and I gave him my only English word, which was simply,15-9 "Yep" and that was that.15-10—But you haven't seen the best part: Over there15-11 is a room full of down-to-earth15-12 people sitting together in a huge cloud of smoke, old and young, guys15-13 like mountain goats and as ancient as the fir trees draped with white lichen, and in between them, there's a girl at the spinning wheel with earnest blue eyes. They’re telling each other16-1 stories, but you can't understand a word. Meanwhile, in the kitchen, things are crackling,16-2 there are Kaiserschmarren and doughnuts. There's plenty to eat, which is definitely commendable. We’ll stay down here16-3 and settle in for the night. So, now you’re in the loop, and the discussion can begin. Herr Assessor—comment__A_TAG_PLACEHOLDER_0__ what do you think of this?—says the Frenchman, and the German asks: “Excuse me, what is your esteemed opinion on this matter?”
Der zweite Tenor sprach das alles in einem Atemzug und so drollig, daß alle lachten. Der Assessor war verblüfft; er hatte sich im stillen schon auf sein Zimmer gefreut, um dort allerhand chirurgische Operationen vorzunehmen, mit denen sein Ranzen in genauer Verbindung stand.
Der zweite Tenor sprach das alles in einem Atemzug und so lustig, dass alle lachten. Der Assessor war verblüfft; er hatte sich insgeheim schon auf sein Zimmer gefreut, um dort verschiedene chirurgische Eingriffe vorzunehmen, die mit seinem Bauch in direktem Zusammenhang standen.
Bald dampften die Schüsseln auf dem Tische, denn alle16-7 hatten sich zu einem einzigen vereint, und der Assessor saß mitten unter den jungen Mädchen, zu seiner Rechten das ältere Fräulein. Die Studenten teilten sich mit dem jungen Eheherrn in die anderen. Das Gespräch war lebendig, jeder wußte von Abenteuern, von Gemsjägern und Sennerinnen zu erzählen, und am16-8 aufgeräumtesten war der Assessor.
Bald dampften die Schüsseln auf dem Tisch, denn alle16-7 hatten sich zu einem einzigen vereint, und der Assessor saß mitten unter den jungen Mädchen, zu seiner Rechten das ältere Fräulein. Die Studenten teilten sich mit dem jungen Ehepaar in die anderen. Das Gespräch war lebhaft, jeder erzählte von Abenteuern, von Gemsejägern und Sennerinnen, und am16-8 am besten drauf war der Assessor.
Nach dem Imbiß baten die Damen, es16-9 möchten doch die Studenten wieder ein Lied singen, wie damals im Stellwagen. Schnell waren diese bei der Hand, und fröhlich klangen die Terzette durch den warmen Raum. Unvermerkt hatte sich17-1 die Thür aufgethan, und aus der hintern Stube waren die Insassen hergewandert, als sie vorne singen hörten. Der alte Führer des Assessors vorndran, und zwischendrin die flachsköpfige Spinnerin.
Nach dem Imbiss baten die Damen, es16-9 möchten doch die Studenten wieder ein Lied singen, wie damals im Stellwagen. Schnell waren diese zur Hand, und fröhlich klangen die Terzette durch den warmen Raum. Unbemerkt hatte sich17-1 die Tür geöffnet, und aus dem hinteren Raum waren die Menschen hergekommen, als sie vorne singen hörten. Der alte Führer des Assessors vorneweg, und dazwischen die flachsköpfige Spinnerin.
„Dös sollt’ mi doch rechtschaffen Wunder nehma, wenn mein Herr17-2 singen könnt’,“ sagte der Alte. „Der giebt sonst koan Laut17-3 von sich“—und wirklich, er sang zu seinem eigenen und des Führers Erstaunen. Er hatte ja eine herrliche Baritonstimme, aber seit Jahren hatte er kein Lied mehr gesungen, wie er behauptete. Aber hier bei den fröhlichen Stimmen gingen ihm Herz und Lippen auf. Zur Vorsorge hatten die Studios noch Noten für eine vierte Stimme mit, wenn je einmal sich noch ein Musikant unterwegs zum Quartett fände.17-4 Es17-5 waren ja alte, liebe Lieder, die sie sangen, die er einst auch in jüngeren Tagen bei Ständchen und Morgengrüßen gesungen. Fröhlich klang das alte Quartett:
„I should really be amazed if my Lord17-2 could sing,” said the old man. “He usually doesn’t make a sound17-3”—and indeed, he sang to his own and the leader's surprise. He had a wonderful baritone voice, but he claimed he hadn’t sung a song in years. Yet here, among the cheerful voices, his heart and lips were opened. As a precaution, the studios had brought along sheets for a fourth voice in case any musician happened to join the quartet.17-4 They were old, beloved songs that they sang, which he had also sung in his younger days during serenades and morning greetings. The old quartet sounded cheerful:
„Herr Assessor, Ihre schöne Nachbarin in Buchau soll17-7 leben!“ rief der muntere zweite Tenor, „die Tochter des Landgerichtspräsidenten.“
„Mr. Assessor, your lovely neighbor in Buchau should 17-7 live!” shouted the cheerful second tenor, “the daughter of the district court president.”
„Der17-8 ist leider selbst noch ledig,“ antwortete trocken der Assessor. „Mir wohnt nichts17-9 gegenüber als ein Schmied, dessen Gesellen mich morgens um vier Uhr aus dem süßen Schlummer jagen, das ist eine grausame Nachbarschaft.“
„Unfortunately, the 17-8 is still single,“ replied the assessor dryly. “All I have living across from me is a blacksmith, whose apprentices wake me up at four in the morning from my sweet slumber; it’s a cruel neighborhood.“
Er war eben daran, seinen Jammer näher zu beschreiben, als durch die Hauptthüre der hochaufgeschossene Engländer mit seinem Rotkopf im Gefolge eintrat.
Er war gerade dabei, sein Elend näher zu beschreiben, als der große Engländer mit seinem roten Kopf durch die Haupttür hereinkam.
sagte leise der zweite Tenor, auf den Rotkopf schauend. Die Mädchen hielten sich die Taschentücher vor den Mund, der Eheherr griff nach seinem roten Tyroler und steckte tief das Gesicht in das Glas. Nur die „Institutsvorsteherin“ und der Assessor hielten Balance18-3 mit sicherm Takte. Der Engländer aber sagte in etwas englisiertem, aber sonst anständigem Deutsch:
sagte leise der zweite Tenor, während er den Rotkopf ansah. Die Mädchen hielten sich die Taschentücher vor den Mund, der Ehemann griff nach seinem roten Tyroler und steckte sein Gesicht tief in das Glas. Nur die „Institutsvorsteherin“ und der Assessor hielten mit sicherem Takt das Gleichgewicht.18-3 Der Engländer sagte jedoch in einem etwas englisierten, aber ansonsten anständigen Deutsch:
„Ich haben18-4 gehabt sehr großes Vergnügen in meinem Zimmer, zu hören solch schönes Gesang. Ich komme zu bitten, daß ich noch mehr höre.“
„Ich habe 18-4 sehr viel Freude in meinem Zimmer gehabt, so schönen Gesang zu hören. Ich bitte darum, dass ich noch mehr hören kann.“
Er sagte das mit solch edlem Anstand, daß einer der Studios aufstand, ihm seinen Stuhl anzubieten und ihn einzuladen, wenn ihm die Gesellschaft behagte,18-5 sich niederzulassen. Er stellte ihm alle vor und bat ihn dann ebenfalls zu sagen, „woher18-6 des Landes, woher der Männer er sei.“18-7—„Sie sehen, ich bin Engländer, und James ist es auch, der gute alte Junge. Der Name ist nicht notwendig—nennen Sie mich Mr. Brown, und ich bin’s zufrieden,“ sagte er lächelnd. „Wir sind heute Mittag gekommen durch Salzkammergut—beautiful indeed—und konnten18-8 nicht mehr weiter. Aber singen Sie, meine Herren, singen Sie, ich bitte.“—Schnell waren die Sänger zusammen, sprachen zuerst leise mit einander und setzten plötzlich kräftig ein in die Weise:
Er sagte das mit so viel edlem Anstand, dass einer der Studios aufstand, ihm seinen Stuhl anbot und ihn einlud, sich zu setzen, falls ihm die Gesellschaft gefiel. Er stellte ihm alle vor und bat ihn dann auch zu sagen, „woher er kommt, aus welchem Land, woher er sei.“—„Sie sehen, ich bin Engländer, und James ist es auch, der gute alte Junge. Der Name ist nicht notwendig—nennen Sie mich Mr. Brown, und ich bin zufrieden,“ sagte er lächelnd. „Wir sind heute Mittag durch das Salzkammergut gekommen—really nice—und konnten nicht mehr weiter. Aber singen Sie, meine Herren, singen Sie, ich bitte.“—Schnell waren die Sänger zusammen, sprachen zuerst leise miteinander und setzten plötzlich kräftig ein in die Melodie:
Treu19-1 und herzinniglich, Treu und herzlich, |
Die Verse verklangen. Der Engländer war außer sich vor Freude, als er die heimische Weise klingen hörte. „Das ist beautiful—, aber wo haben Sie ein ähnliches deutsches Lied?“—Die Studios besannen sich.
Die Verse verklangen. Der Engländer war überglücklich, als er die heimische Melodie hörte. „Das ist pretty—, aber wo haben Sie ein ähnliches deutsches Lied?“—Die Studios dachten nach.
„Richtig, los! eins, zwei, drei, ’Ännchen von Tharau’ ist’s die mir gefällt!“ rief der zweite Tenor. Sie sangen frisch herunter:
„Right, let's go! One, two, three, 'Ännchen von Tharau' is the one I like!” shouted the second tenor. They sang cheerfully:
Ännchen von Tharau ist’s, die mir
gefällt, Ännchen from Tharau is the one I love, |
„Ja, wissen Sie, das ist etwas besonderes. Zum Exempel, wenn ein Jüngling und eine Jungfrau sich so ein bißchen stark lieb haben, so ist das „Verknotigung“. Das kommt von dem Liebesband her, und wenn die zwei Bänder zusammenkommen und geknüpft werden, giebt’s allemal dort eine „Verknotigung“. ‚Der Ausdruck ist obsolet,’ sagt der Herr Professor auf seiner Hitsche20-2—aber er20-3 ist gut, sehr gut,“ sagte der zweite Tenor.
„Yeah, you know, that's something special. For example, when a young man and a young woman are really in love, that's called a 'knotting.' It comes from the love bond, and when the two bonds come together and are tied, there’s always a 'knotting' there. 'The term is outdated,' says the professor on his perch20-2—but it20-3 is good, very good,” said the second tenor.
„O, well, Sir—sehr gut! ich verstehen jetzt „Verknotigung“. Ich lieben sehr das Volkslied20-4 der Deutschen.“
„Oh, well, sir—very good! I understand now 'knotting.' I really love the folk song20-4 of the Germans.“
„Holla!“ rief der zweite Tenor, „das können Sie hier20-5 haben, Mr. Brown, aus bester Quelle. Heda, ihr Mannsleut’, singt’s20-6 einmal einen Steirer!20-7 Meint Ihr denn, wir singen umsonst hier? Jeder, wer zuhört, zahlt20-8 einen Zwanziger Münz.20-9 Wenn Ihr aber selber singt, braucht’s nix zu zahlen!“
„Hey!“ shouted the second tenor, “you can have this here, Mr. Brown, from a great source. Hey, you guys, sing us a Styrian tune! Do you think we're singing here for free? Everyone listening pays a twenty-cent coin. But if you sing yourself, you don't have to pay!”
Die Leute schauten sich verdutzt an, und keiner sagte ein Wort. Endlich brach der alte Führer das Schweigen:
Die Leute schauten sich verwirrt an, und keiner sagte ein Wort. Schließlich brach der alte Führer das Schweigen:
„Wär’20-10 schon völlig recht, junger Herr, aber wir Leut’ singen halt anders als d’ Stadtleut’ und könnet’s nit gar schön. Für uns is schon völlig schön genug, draußen auf der Almen—aber für Euch nit!“
„Wär’20-10 totally right, young sir, but us folks sing differently than the city people and it might not be very nice. For us, it’s already completely nice out on the pastures—but for you, it’s not!“
„Ach was—Ihr singt wie’s20-11 Euch ums Herz ist.“
„Ah, well—You sing as if it’s20-11 close to your heart.“
„Habt Ihr denn keine Zither?“ fragte der Assessor.
„Do you not have a zither?“ asked the assessor.
Im Hintergrunde bewegten sich schon die Füße; die Leute waren elektrisiert, und vorab der Alte mit dem Gemsbarte21-3 zog bald das eine, bald das andere Bein hinauf und zuckte mit21-4 den Armen wie ein Hampelmann, den man21-5 an der Schnur zieht. Plötzlich klang’s21-6 aus dem Hintergrund:
Im Hintergrund bewegten sich bereits die Füße; die Leute waren elektrisiert, und vor allem der alte Mann mit dem Ziegenbart hob bald das eine, bald das andere Bein und zuckte mit den Armen wie eine Puppe, die an der Schnur gezogen wird. Plötzlich hörte man aus dem Hintergrund:
Eine helle Stimme sang’s; es war die Spinnerin. Der Assessor begleitete sie, und bald darauf schallte es:21-10
Eine helle Stimme sang; es war die Spinnerin. Der Assessor begleitete sie, und bald darauf schallte es:21-10
B’hüat’21-11 dich Gott, mein
kleans Dioandl, B’hüat’21-11 God, my little darling, |
Es21-12 sang’s ein stämmiger Bursche. Aber der Alte warnte gleich darauf mit dem Verse:
Es21-12 sang was a sturdy guy. But the Old Man immediately warned with the verse:
„Gescheit22-1 sein, gescheit
sein, „Be smart, be wise, |
Der Engländer war außer sich vor Freude; das hatte er ja22-2 schon längst gewünscht zu hören, aber niemand hatte ihm den Gefallen gethan, trotzdem er oft den Leuten Geld geboten hatte. Aber fürs22-3 Geld sangen sie wohl22-4 drunten im Flachland, die nachgemachten Tyroler in Glacéehandschuhen, aber da oben nicht. Aber jetzt waren die Leute guter Dinge.22-5 Die Studenten holten die Sängerin vor. Der Engländer nahm sich22-6 den Tauernwirt auf die Seite und redete mit ihm. Der Rotkopf verschwand und kehrte mit etlichen Flaschen zurück. Bald brodelte es22-7 aufs neue in der Küche von Kaiserschmarren, auf dem Tische aber dampfte eine prächtige Bowle. Verschämt setzten sich die Leute aus der Hinterstube herein in die Herrenstube und bekamen vollauf zu essen und frischen Tyroler zu trinken, während die Studenten kunstgerecht den Punsch mit Hilfe des Engländers zurecht machten. Alles war ein Geschenk von Mr. Brown, das er anzunehmen bat, als Beitrag dafür,22-8 daß er nicht singen könne.
Der Engländer war überglücklich; er hatte sich schon lange gewünscht, das zu hören, aber niemand hatte ihm den Gefallen getan, obwohl er oft Geld angeboten hatte. Aber für Geld sangen sie wohl im Flachland, die nachgemachten Tiroler in Handschuhen, aber da oben nicht. Doch jetzt waren die Leute guter Laune. Die Studenten holten die Sängerin herbei. Der Engländer zog den Wirt zur Seite und sprach mit ihm. Der Rotkopf verschwand und kam mit ein paar Flaschen zurück. Bald brodelte es wieder in der Küche von Kaiserschmarren, während auf dem Tisch eine herrliche Bowle dampfte. Verschämt setzten sich die Leute aus der Hinterstube in die Herrenstube und bekamen genug zu essen und frisch Tiroler zu trinken, während die Studenten mit Hilfe des Engländers den Punsch zubereiteten. Alles war ein Geschenk von Mr. Brown, das er als Beitrag dafür annahm, dass er nicht singen konnte.
Der Assessor spielte,22-9 die drei Studenten sangen, die Bauern hörten zu, und der Tauernwirt schmunzelte in der Ofenecke und freute sich, daß heute Abend was22-10 draufging, und segnete das Schneetreiben, das ihm die Gäste in seine Klause gejagt.—Draußen stürmte es noch lustig zu—aber was thut’s,22-11 wenn
Der Assessor spielte, 22-9 die drei Studenten sangen, die Bauern hörten zu, und der Tauernwirt schmunzelte in der Ofenecke und freute sich, dass heute Abend was 22-10 losging, und segnete das Schneetreiben, das ihm die Gäste in seine Klause gejagt hatten. Draußen stürmte es noch lustig zu—aber was macht’s, 22-11 wenn
Im Ofen hell der Kienspan blitzt, Im Ofen hell der Kienspan blitzt, |
So war’s auch hier, die Fremden waren durchs Unwetter eine Familie geworden. Die Studenten hatten sich schnell unter die Eingebornen gemacht,23-1 und die kluge Elsa war ihnen nachgefolgt. Der Rotkopf hatte sich23-2 den Alten mit dem Gemsbart ausgewählt, den er trotz allen Anschreiens nicht verstand. Der Engländer unterhielt sich mit der „Vorsteherin“ im feinsten Englisch. Der Assessor aber rückte zu dem jungen Ehepaare. Die zwei andern Mädchen zog’s23-3 auch hinüber zu der Else und langsam rutschten sie an der Wand bis hinüber zu ihr.
So it was here too, the outsiders had become a family through the storm. The students quickly blended in with the locals, and the smart Elsa had followed them. The redhead had picked the old man with the gem-studded beard, whom he didn’t understand despite all the shouting. The Englishman was chatting with the “leader” in the finest English. Meanwhile, the assessor moved toward the young couple. The other two girls were also drawn over to the group, and they slowly slid along the wall until they reached her.
„Wie wär’s,23-4 meine Herrschaften, wenn jeder von uns eine Geschichte aus seinem Leben erzählte?23-5 Mit dem Schlaf wird’s23-6 doch nicht viel werden heute Nacht, nicht wahr, Mr. Brown, trotz Ihres hohen23-7 Bettes, und das Stroh für Sie, mein Fräulein,23-8 kann warten, bis Sie sich darin verkriechen—“ sagte plötzlich der unermüdliche zweite Tenor.
„How about it,23-4 ladies and gentlemen, if each of us told a story from our lives?23-5 With sleep, it’s23-6 probably not going to happen tonight, right, Mr. Brown, despite your high23-7 bed, and the straw for you, my dear,23-8 can wait until you snuggle into it—“ said suddenly the tireless second tenor.
„Wer fängt an?“ riefen sie alle.
"Who's starting?" they all shouted.
„Wir werden den Halm ziehen?“ Sie zogen und den kürzesten zog der junge Eheherr. Alle lachten, denn er war bis jetzt der schweigsamste gewesen, und hatte sich nur an dem süßen Geplauder seiner Frau erfreut.
„Are we going to draw straws?” They pulled, and the youngest husband drew the shortest one. Everyone laughed because he had been the quietest until now and had only enjoyed the sweet chatter of his wife.
„Nun denn, wenn es sein muß, werde ich Ihnen unsere Hochzeitsgeschichte erzählen. Annlieschen, erschrick nicht, wenn du dabei etliche Male vorkommst, denn sonst ist’s keine Hochzeitsgeschichte,“ sagte er zu seiner Frau, „denn dazu gehören immer zwei.“
„Well then, if I must, I’ll tell you our wedding story. Annlieschen, don’t be shocked if you come up a few times, because otherwise it wouldn’t be a wedding story,“ he said to his wife, “because it always takes two to make one.”
„Ja, mach’s aber nur nicht zu arg, Hans.“
„Yeah, just don’t go too far with it, Hans.”
„Wes Zeichens24-1 und Standes ich bin, brauchen Sie nicht zu wissen, noch wie wir heißen. Wo wir her24-2 sind, merken Sie vielleicht an unsrer Sprache, die so etwas niederrheinisch24-3 klingt. Aber wir sind ehrlicher Leute Kind24-4 und haben noch keine silbernen Löffel gestohlen.—Also so war’s: Ich lebte mit einer Schwester auf einem Dorfe und war nahe daran, ein Einsiedler zu werden. Die Schwester wußte so gut, was mir lieb war, und ich wußte, was sie gerne hatte, und so gedachte ich mein Leben still zu beschließen als Einsiedler. Aber es24-5 kam anders. Plötzlich kam es24-6 wie das Schneetreiben heute und jagte mich in den Ehestand hinein. Meine Schwester hatte just ihr Kaffeekränzchen mit ihren Gespielinnen, in welchem nebenbei auch gestrickt24-7 wurde. Die Strickkörbchen wanderten24-8 von Kränzchen zu Kränzchen. Die Nächstfolgende nahm die Körbchen immer mit nach Hause. Es24-9 war die Reihe an einem muntern, rotwangigen Mädchen. Sie nahm die Körbchen am Schluß des Kränzchens. Es war schon spät, und ich mußte sie ehrenhalber begleiten. Da fiel mir plötzlich ein, daß sie sich mit den Körbchen schleppte, und ich bat: „Ach bitte, geben Sie mir doch24-10 die Körbchen.“24-11 „Nein,“ sagte sie, „kein einziges.“ Da fuhr mir’s25-1 durch den Sinn: Jetzt oder nie!—„Ha,“ sagte ich—„Fräulein, wirklich, Sie geben mir kein Körbchen? Dann bin ich der glücklichste Mensch, dann geben Sie mir einen Kuß.“ Und ehe sie sich’s versah, hatte ich ihr um die Straßenecke herum einen Kuß gegeben. Sie weinte und lachte zugleich, und ich sagte: „Komm,25-2 wir wollen gleich umkehren und es der Schwester sagen.“ Wir kehrten Arm in Arm um und stellten uns als Braut und Bräutigam vor. Die Schwester zog mich auf die Seite und sagte: „Sieh, Hans, die25-3 habe ich immer gemeint. Sie hat dich auch lieb, das weiß ich.“—Und nun sehen Sie: das ist das Annlieschen hier, meine liebwerte, herzallerliebste Frau.“—
„As for my origin and status, you don't need to know that, nor do you need to know our names. You might notice where we're from by our language, which sounds a bit Low Rhineland. But we're honest folks and haven't stolen any silver spoons. So, here’s how it went: I lived with a sister in a village and was close to becoming a hermit. My sister knew what I loved, and I knew what she liked. I intended to quietly live my life as a hermit. But things turned out differently. Suddenly, it came rushing in like a snowstorm today and pushed me into marriage. My sister had just had her coffee gathering with her friends, during which they also did some knitting. The knitting baskets were passed from gathering to gathering. The next girl took the baskets home with her. It was the turn of a cheerful, rosy-cheeked girl. She picked up the baskets at the end of the gathering. It was getting late, and I had to escort her out of courtesy. Suddenly, I remembered that she was struggling with the baskets, and I asked, “Oh please, just give me the baskets.” “No,” she said, “not a single one.” Then it struck me: now or never! “Ha,” I said, “Miss, really, you won’t give me a basket? Then I’ll be the happiest man; you’ll give me a kiss.” And before she knew it, I had given her a kiss around the street corner. She cried and laughed at the same time, and I said, “Come, let's turn back and tell my sister.” We turned back arm in arm and introduced ourselves as bride and groom. My sister pulled me aside and said, “Look, Hans, I always thought she was the one. She loves you too, I know it.” — And now you see: that’s Annlieschen here, my loving, dearest wife.” —
Alle schauten sie lachend an; aber in ihr halbverlegenes und in ihrer Verlegenheit um25-4 so hübscheres Angesicht brannte25-5 plötzlich zum Erstaunen aller—ein kräftiger Kuß. Der kam von der „Institutsvorsteherin,“ welche die junge Frau warm umschlang. „Sie glückliches Menschenkind!“ sagte sie. Die Studenten waren ob25-6 Kuß und Rede höchst verwundert. In dem zweiten Tenor stieg ein leises Ahnen und Zweifeln auf, es25-7 möge doch am Ende mit der „Institutsvorsteherin“ nicht völlig seine Richtigkeit25-8 haben, denn das sei doch nicht nach Knigges25-9 ‚Umgang mit Menschen’ gehandelt und geredet. Als er ihr tief ins Angesicht schaute, ward’s ihm noch klarer. Sie deuchte ihm wirklich schön zu sein, zu schön für eine Pensionsmutter.25-10
Alle schauten sie lachend an; aber in ihrem halbverlegenen und in ihrer Verlegenheit um25-4 so hübscheres Gesicht brannte25-5 plötzlich zum Erstaunen aller—ein kräftiger Kuss. Der kam von der „Institutsvorsteherin,“ die die junge Frau warm umschlang. „Du glückliches Menschenkind!“ sagte sie. Die Studenten waren ob25-6 Kuss und Rede höchst verwundert. In dem zweiten Tenor stieg ein leises Ahnen und Zweifeln auf, es25-7 möge doch am Ende mit der „Institutsvorsteherin“ nicht völlig seine Richtigkeit25-8 haben, denn das sei doch nicht nach Knigges25-9 ‚Umgang mit Menschen’ gehandelt und geredet. Als er ihr tief ins Gesicht schaute, wurde es ihm noch klarer. Sie erschien ihm wirklich schön zu sein, zu schön für eine Pensionsmutter.25-10
Am meisten hatte aber der Assessor mit seiner Konfusion zu kämpfen. Die ganze Hochzeitsgeschichte kam ihm so wunderbar vor. Auch er blickte hinüber zu der „Institutsvorsteherin“ und konnte sich26-1 das26-2 nicht mit der gehaltenen Würde eines „Pensionsdrachen“ vereinigen.
Am meisten hatte aber der Assessor mit seiner Verwirrung zu kämpfen. Die ganze Hochzeitsgeschichte erschien ihm so erstaunlich. Auch er schaute hinüber zur „Institutsvorsteherin“ und konnte sich die gehaltene Würde eines „Pensionsdrachen“ nicht vorstellen.
Der Eheherr aber fuhr fort: „Nun hatten wir kurze Verlobungszeit,26-3 denn bei mir26-4 waren, von den Eltern her, Kasten und Schränke voll von selbstgesponnenem Flachs und Leinen. Meine Schwester räumte bald das Feld, denn sie selber hatte eine alte Liebe, der sie aber nicht eher nachhängen wollte, als bis sie mich versorgt wußte. Die Hochzeit war bald, und die Hochzeitsreise ist es, auf der wir uns befinden. Wir wußten zuerst nicht wohin26-5 und kamen mit der Kutsche an einen Knotenpunkt der Eisenbahn gefahren.26-6 „Annlieschen,“ sag’ ich, „wo26-7 der erste Zug jetzt hinfährt, ob nach Norden oder Süden, da fahren wir hin.“ Annlieschen war’s zufrieden, wie sie überhaupt mit allem zufrieden ist. Also der Zug geht nach Süden. Wir fahren nach Kassel.26-8 Ich sage: „Hast26-9 du Kassel gesehen, dann siehst du auch Frankfurt26-10 am Main, wo die deutschen Kaiser einst gehaust.“ Sagt26-11 Annlieschen: „Ja wohl—dahin laß mich mit dir, mein Geliebter, ziehen.“26-12 Dort regnet’s in Strömen. Wir sitzen im Westend-Hotel und sehen uns26-13 den Regen an. „Anneliese,“ sag’ ich, „das ist langweilig—wir gehen26-14 nach dem schönen Heidelberg,26-15 da ist’s sonnig und wonnig.“ Aber in Heidelberg, dem Wetterloch,26-16 war’s noch schlimmer. Sitzt26-17 im „Ritter“26-18 dort ein Herr, der sagt: „Freiburg27-1 im Breisgau—da ist’s schön, herrlich!“—und Anneliese sagt wieder: „Dahin, dahin u.s.w.“27-2 Ich gehe mit ihr nach Freiburg, auf den Blauen27-3—„da schimmert was,“27-4 sag’ ich. „Anneliese—guck27-5 mal27-6—weißt du, was das ist?“ „Nein,“ sagt die Anneliese. „Siehste27-7—das27-8 sind die Alpen.“ Anneliese sagt wieder: „Dahin laß uns ziehen.“ Wir ziehen durch die Schweiz nach dem Sankt Gotthard,27-9 wo wir eingeregnet werden. Da sitzen zwei Brautpaare in gleicher Nässe, die wollten27-10 nach Italien. Italien! das stach27-11 mich wie ein Skorpion. „Annlieschen—Italien!—Land,27-12 wo die Citronen blühen27-13—dahin laß uns ziehen!“ Wir hatten zwar nichts bei uns als einen kleinen Reisesack in der Hand zu27-14 tragen, aber ich sage: „Es27-15 kennt uns niemand.“ Also nach Italien! Wir waren in Mailand27-16 und Genua.27-17 Ich sage: „Annlieschen—weißt du, was da hinten liegt am blauen Meere?“ „Nein,“ sagt sie, „wat27-18 soll da liegen?“ „Da liegt Rom—! Rom! Neapel—’s ist ein Katzensprung—also „Annliese avanti!“,27-19 womit der Italiener so viel meint, als wenn der Deutsche „Vorwärts“ sagt. Und schließlich standen wir auf dem Vesuv.27-20 Von dort ging’s27-21 rasch zurück über Venedig27-22 und nun hier herauf nach den Tauern, und da wurden wir festgeschneestöbert.27-23—So, meine Herrschaften, nun wissen Sie Bescheid, wen Sie vor sich haben.“
Der Ehemann fuhr fort: „Wir hatten nur eine kurze Verlobungszeit, denn meine Eltern hatten eine ganze Menge selbstgesponnener Laken und Leinen. Meine Schwester hat bald das Feld geräumt, denn sie hatte eine alte Liebe, um die sie sich aber nicht kümmern wollte, solange sie wusste, dass ich versorgt war. Die Hochzeit war schnell, und jetzt sind wir auf unserer Hochzeitsreise. Zuerst wussten wir nicht, wo wir hinwollten und kamen mit der Kutsche an einen Knotenpunkt der Eisenbahn. „Annlieschen,“ sage ich, „wo der erste Zug jetzt hinfährt, ob nach Norden oder Süden, da fahren wir hin.“ Annlieschen war zufrieden, wie sie es generell immer ist. Also ging der Zug nach Süden. Wir fuhren nach Kassel. Ich sage: „Wenn du Kassel gesehen hast, siehst du auch Frankfurt am Main, wo die deutschen Kaiser einst lebten.“ Annlieschen sagt: „Ja, gerne—lass uns dahin gehen, mein Geliebter.“ Dort regnete es in Strömen. Wir saßen im Westend-Hotel und schauten dem Regen zu. „Anneliese,“ sage ich, „das ist langweilig—wir gehen nach dem schönen Heidelberg, da ist es sonnig und schön.“ Aber in Heidelberg, dem Wetterloch, war es noch schlimmer. Im „Ritter“ saß ein Herr, der sagte: „Freiburg im Breisgau—da ist es schön, herrlich!“—und Anneliese sagt wieder: „Dahin, dahin u.s.w.“ Ich gehe mit ihr nach Freiburg, auf den Blauen—„da schimmert etwas,“ sage ich. „Anneliese—guck mal—weißt du, was das ist?“ „Nein,“ sagt Anneliese. „Sieh mal—das sind die Alpen.“ Anneliese sagt wieder: „Dahin lass uns gehen.“ Wir reisen durch die Schweiz nach dem Sankt Gotthard, wo wir eingeregnet werden. Dort sitzen zwei Brautpaare im gleichen Regen, die nach Italien wollten. Italien! Das reizte mich wie ein Skorpion. „Annlieschen—Italien!—Land, wo die Zitronen blühen—lass uns dahin gehen!“ Wir hatten zwar nur einen kleinen Reisebeutel in der Hand, aber ich sage: „Es kennt uns niemand.“ Also nach Italien! Wir waren in Mailand und Genua. Ich sage: „Annlieschen—weißt du, was da hinten am blauen Meer liegt?“ „Nein,“ sagt sie, „was soll da liegen?“ „Da liegt Rom—! Rom! Neapel—es ist ein Katzensprung—also „Annliese, avanti!“, womit der Italiener so viel meint, wie der Deutsche „Vorwärts“ sagt. Und schließlich standen wir auf dem Vesuv. Von dort ging es schnell zurück über Venedig und hierher zu den Tauern, und dann wurden wir festgeschneit. — So, meine Damen und Herren, nun wissen Sie Bescheid, wen Sie vor sich haben.“
„Beautiful indeed,“ sagte der Engländer. „Sie haben großes27-24 Mut. Ich sehr lieben Italien.“
„So beautiful,“ said the Englishman. „You have great27-24 courage. I really love Italy.“
Die drei jungen Mädchen waren vor Vergnügen außer sich, also die28-1 hatten Italien gesehen, während sie selbst in Venedig umkehren mußten! Die Frau kam ihnen nun doppelt interessant vor. Sie meinten zwar, man müßte es den Leuten immer am Gesicht ansehen, wenn sie in Italien gewesen,28-2 aber Anneliese sah so rotbackig drein, und ließ es sich so vortrefflich schmecken, und sie merkten nicht das geringste Absonderliche. Nur daß der junge Eheherr ein Spaßvogel war, der in trockenster28-3 Art mit dem fettesten Pinsel malte, das leuchtete ihnen ein.
Die drei jungen Mädchen waren total begeistert, dass die28-1 Italien gesehen hatten, während sie selbst in Venedig umkehren mussten! Die Frau erschien ihnen nun doppelt interessant. Sie dachten zwar, man müsste es den Leuten immer ins Gesicht schreiben können, wenn sie in Italien gewesen waren,28-2 aber Anneliese sah so frisch und rosig aus und genoss es so sehr, dass sie nichts Ungewöhnliches bemerkten. Nur dass der junge Ehemann ein Spaßvogel war, der auf die trockenste28-3 Weise mit dem breitesten Pinsel malte, schien ihnen klar zu sein.
Die Studenten aber ließen die Köpfe hängen. „Ach,“ sagte der zweite Tenor, „wenn unsereinem so etwas mal28-4 in dem Garten28-5 wüchse! Da lernt man seinen Horatius28-6 und Virgil im finstern Loch28-7 und sieht sein Leben28-8 nichts davon,28-9 nicht einmal einen Italiener, von nahem! Beatus ille!“28-10
Die Studenten ließen die Köpfe hängen. „Ach,“ sagte der zweite Tenor, „wenn wir so etwas mal in dem Garten hätten! Da lernt man seinen Horatius und Virgil im dunklen Loch und sieht in seinem Leben nichts davon, nicht einmal einen Italiener, aus der Nähe! Blessed is that!“
Derweilen der Studio so klagte, stimmte der Assessor die Saiten und fing plötzlich mit schöner, tiefer Stimme das Lied zu singen an:
Derweilen das Studio so klagte, stimmte der Assessor die Saiten und fing plötzlich mit schöner, tiefer Stimme an, das Lied zu singen:
Kennst28-11 du das Land, wo die
Citronen blüh’n, Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen, |
Er sang so schön und herzergreifend, daß alles28-13 stille ward.
Er sang so schön und berührend, dass alles28-13 still wurde.
„Waren Sie schon in Italien?“ fragte der Engländer.
„Have you ever been to Italy?“ asked the Englishman.
„Ja, ich war schon da, vor29-1 Jahren,“ sagte leise und ernst der Assessor. Er schnitt damit29-2 aber jedes weitere Gespräch ab. Man merkte es ihm am Tone an, daß dort etwas von Bedeutung in seinem Leben geschehen sein mußte, womit er nicht herausrücken wollte.
„Yeah, I was there, 29-1 years ago,“ said the assessor quietly and seriously. With that, he cut off any further conversation. You could hear in his tone that something significant must have happened in his life that he didn't want to reveal.
„Sie haben das Lied so schön gesungen,“ sagte die „Vorsteherin“—„so schön wie ich es nur einstens von einer Freundin gehört. Aber merkwürdig ganz mit demselben Klange und derselben Auffassung. Es ist doch eigen, wie plötzlich Erinnerungen auftauchen, die sich an irgend ein Lied oder Wort oder einen Klang so unzerreißbar heften!“
„You sang the song so beautifully,“ said the “leader”—“as beautifully as I once heard it from a friend. But it’s strange how it sounds just the same, with the same interpretation. It’s curious how memories suddenly surface, clinging so tightly to a song or a word or a sound!”
„Und Ihre Freundin war auch in Italien?“ fragte der Assessor.
„And your friend was also in Italy?” asked the assessor.
„Ja—sie ist ganz dort,“ entgegnete die Dame wehmütig. „Sie schläft unter den Cypressen an der Cestiuspyramide,29-3 auf dem Kirchhofe der Protestanten zu Rom.“
„Yes—she is right there,“ the lady replied wistfully. „She sleeps under the cypress trees by the Cestius Pyramid, 29-3 in the Protestant cemetery in Rome.“
„Es war im29-6 Jahre 18.., am 20. Mai, daß sie entschlafen.“
„It was on May 20th in the year 18.. that she passed away.“
Der Assessor stützte den Kopf in beide Hände und sprach kein Wort. Alle schauten still und stumm auf ihn,—am meisten betroffen aber war die „Vorsteherin.“ „Ich habe Ihnen doch29-7 nicht wehe gethan?“ sagte sie in weichem, mildem Tone.
Der Assessor stützte den Kopf in beide Hände und sprach kein Wort. Alle schauten still und stumm auf ihn,—am meisten betroffen aber war die „Vorsteherin.“ „Ich habe Ihnen doch29-7 nicht wehgetan?“ sagte sie in weichem, mildem Ton.
Der Assessor schaute sie klar und tief mit feuchten Augen an. „Wohl und wehe zugleich, Fräulein Milla!—denn keine andere sind Sie, wiewohl ich Sie nie gesehen, die treueste Freundin meiner unvergeßlichen Elsa.“—Er reichte ihr die Hand und hielt sie lange fest.
Der Assessor schaute sie klar und tief mit feuchten Augen an. „Gut und schlecht zugleich, Fräulein Milla! – denn keine andere sind Sie, auch wenn ich Sie nie gesehen habe, die treueste Freundin meiner unvergesslichen Elsa.“ – Er reichte ihr die Hand und hielt sie lange fest.
Nun aber war das Erstaunen an ihr. Ihr Auge leuchtete und eine durchsichtige Röte flammte über die schönen Züge. „Sie sind es, Robert?—Und so sehen wir uns30-1 zum ersten Mal in diesem Leben?“
Nun aber war das Erstaunen an ihr. Ihr Auge leuchtete und eine durchsichtige Röte flammte über die schönen Züge. „Sind Sie es, Robert?—Und so sehen wir uns30-1 zum ersten Mal in diesem Leben?“
Die andern im Kreise schwiegen. Jeder ehrte den Schmerz, den er doch nicht völlig verstand.
Die anderen im Kreis schwiegen. Jeder respektierte den Schmerz, den er doch nicht ganz verstand.
„Sehr merkwürdig,“ sagte der Engländer leise zu den andern. „Bitte, singen Sie ein Lied, das ist das beste für die Wunden.“ Schnell waren die drei Studenten beisammen und sangen mit heller Stimme:
„Very strange,“ said the Englishman quietly to the others. “Please, sing a song; it’s the best remedy for wounds.” Quickly, the three students gathered together and sang in bright voices:
Es30-2 ist bestimmt in Gottes
Rat, Es30-2 is surely determined in God's plan, |
Als sie geschlossen, stand der Assessor auf, drückte jedem die Hand und sagte: „Ich danke Ihnen von Herzen. Vergeben Sie mir den Augenblick, wo ich mich verloren habe und Ihnen vielleicht schwach erschienen bin.“ Die „Vorsteherin“ war noch immer still in sich versunken. Endlich brach der Assessor wieder das Schweigen.
Als sie fertig waren, stand der Assessor auf, drückte jedem die Hand und sagte: „Ich danke Ihnen von Herzen. Verzeihen Sie mir den Moment, in dem ich mich verloren habe und Ihnen vielleicht schwach vorgekommen bin.“ Die „Vorsteherin“ war immer noch still in Gedanken versunken. Endlich brach der Assessor erneut das Schweigen.
„Da Sie so unvermutet Zeugen einer gemeinsamen Erinnerung geworden, so lassen Sie mich Ihnen auch mitteilen, was wir erlebt. Ich darf wohl kurz sein: Es war in meinen Universitätsjahren. Ich war wie Sie, meine Herren, ein fröhlicher Bursche, dem der Himmel voll Baßgeigen31-1 hing. Wir sangen auch, wie Sie, Quartette und weckten die Leute des Morgens31-2 in der Ruhe und des Abends im Schlaf mit unserm Gesang. Da wurden wir eines Tages gebeten, auf einer Hochzeit zu erscheinen und dem jungen Paare zu singen, dafür31-3 sollten wir dann auch mitfeiern. Was thut man nicht als Student, um ein gut Glas Wein zu erjagen? Wir sangen und mischten uns unter die Gäste, die aus allen Himmelsgegenden zusammengeflogen waren. Wir Studenten kamen unter die Brautjungfern zu sitzen. Ich ahnte nicht, daß das die Wendung meines ganzen Lebens werden sollte.31-4 Wir scherzten und sangen; aber mit meiner Nachbarin geriet ich sehr bald ins tiefste Gespräch. Ich hörte und sah nichts mehr als nur sie. Noch nie hatte ein Mensch im31-5 Leben so schnell mich verstanden, und so seelenvoll mit mir verkehrt. Ich war ja31-6 ein Waisenkind, bei fremden Leuten auferzogen, ohne Geschwister, und hatte nie gewußt, was eigentlich ein fühlendes Herz sei. Die Kameraden hatten mich wohl31-7 aus meiner Philisterhaftigkeit und Menschenscheu herausgejagt, aber Zutrauen zu Menschen hatte ich nicht gefaßt. Aber dies Mädchen mit ihrer weichen Stimme, ihren seelenvollen Augen und den geistvollen, blitzenden und doch so warm leuchtenden Gedanken hatte mir eine Welt aufgeschlossen, die ich nicht kannte. Ich wagte es,32-1 ihr von meinem traurigen Leben zu erzählen. Ich weiß nicht, was ich noch alles sagte, mir brannte der Kopf und der Boden unter den Füßen. „Wenn sie nur meine Schwester wäre,“32-2 so dachte ich und sprach es ihr auch aus. Sie schaute mich dabei mit einem wunderbaren Blicke an. Da begann eben der Tanz, ihre Mutter holte sie weg, und sie verlor sich32-3 in den Reihen der Tanzenden. Ich konnte nicht tanzen, aber das Bild verlor sich nicht, ich mußte sie immer mit den Augen verfolgen. Mit einem Male war sie fort,32-4 verschwunden mit ihrer Mutter. Ich hörte, daß sie plötzlich erkrankt sei. Nach dem Tanze mußten wir noch singen; aber ich sang verkehrt, und wir warfen beinahe um. Als die Sache zu Ende war, schlich ich still unter das Fenster des Gasthofes, in welchem sie wohnte; es32-5 war noch Licht oben. Sie war krank, und ich dachte mir gleich das schlimmste. Am folgenden Tage hörte ich, daß sie wirklich schwer vom Typhus erfaßt sei, der wohl in ihr gelegen und den die Aufregung der Hochzeit beschleunigt hatte. Wochen kamen und gingen. Endlich durfte32-6 sie wieder ins Freie. Wir Studenten benutzten den ersten Abend ihrer Genesung, ihr ein Ständchen zu bringen. Stille öffneten sich die Fenster in der lauen Nacht, und unser Gesang tönte hinauf. Die Mutter lud uns mit der Familie, die damals Hochzeit feierte, bald darauf ein. Ich sah Elsa wieder, die Züge waren unverändert, nur die leichte Röte ihrer Wangen erschreckte mich und der starke Glanz in den Augen. Sie reichte mir die Hand und sagte: „Sie haben gewiß das Ständchen mir gebracht.“ Ich wurde rot bis über die Ohren und gestand. Ich sagte noch mehr; ich sagte, wie ich um sie gelitten während dieser Zeit und jeden33-1 Abend stundenlang unten an der Ecke gestanden, um zu sehen, ob das Licht noch brenne.“
„Since you have unexpectedly become witnesses of a shared memory, let me also share with you what we experienced. I'll keep it brief: It was during my university years. I was, like you, my friends, a cheerful guy, with the world at my feet. We sang, just like you, in quartets and woke people in the morning from their peace and at night from their sleep with our songs. One day, we were asked to perform at a wedding and sing for the young couple, for which we were also invited to celebrate. What wouldn’t a student do for a good glass of wine? We sang and mingled with the guests who had come from all over. We, the students, ended up sitting among the bridesmaids. I had no idea that this would change my whole life. We joked and sang; but I quickly fell into a deep conversation with my neighbor. I heard and saw nothing but her. Never before had someone understood me so quickly and connected with me so deeply. I was an orphan, raised by strangers, without siblings, and had never truly known what it meant to have a feeling heart. My friends had managed to pull me out of my aloofness and shyness, but I still had no trust in people. But this girl, with her soft voice, soulful eyes, and intelligent, sparkling yet warm thoughts, opened up a world to me that I didn’t know. I dared to tell her about my sad life. I can’t remember everything I said; my head was spinning and the ground felt unstable beneath me. “If only she were my sister,” I thought and I even said it out loud. She looked at me with a wonderful gaze. Just then the dance began, her mother took her away, and she got lost in the crowd of dancers. I couldn't dance, but the image of her didn’t fade; I had to keep following her with my eyes. Suddenly, she was gone, disappeared with her mother. I heard she had suddenly fallen ill. After the dance, we still had to sing; but I sang out of tune, and we nearly fell over. When it was all over, I quietly sneaked under the window of the inn where she was staying; there was still light on upstairs. She was sick, and I instantly feared the worst. The next day, I heard that she was indeed seriously ill with typhus, which had likely developed within her and was brought on by the excitement of the wedding. Weeks went by. Finally, she was allowed outside again. We students took advantage of the first evening of her recovery to sing her a serenade. Quietly, the windows opened on the warm night, and our singing floated up. Her mother soon invited us, along with the family who had celebrated the wedding. I saw Elsa again; her features were unchanged, but the slight flush on her cheeks alarmed me, as well as the intense sparkle in her eyes. She extended her hand to me and said: “You must have sung the serenade for me.” I turned red all the way to my ears and admitted it. I said more; I told her how I had suffered for her during that time and how every evening I had stood for hours at the corner just to see if the light was still on.”
„Ja, ja,“ sagte sie, „ich war selbst ein brennend33-2 Licht, das hin-33-3 und herflackerte zwischen Leben und Tod. Merkwürdig! Ihre Lebensgeschichte hat mich oft in den33-4 Fieberphantasieen verfolgt; ich sprach immer von einem Waisenknaben, der mich gebeten hätte,33-5 seine Schwester zu sein. Mutter fragte mich manchmal, wer es denn sei,33-6 aber ich kannte Ihren Namen nicht. Ich habe aber von einer Freundin gehört, die mir erzählte, wie einer von den Sängern jeden Tag da unten gestanden und hinaufgeschaut. Ich dachte, das ist gewiß der „Bruder.“
„Yeah, yeah,“ she said, “I was once a flickering light that wavered between life and death. Strange! Her life story often haunted me in feverish fantasies; I kept talking about an orphan boy who asked me to be his sister. Mom sometimes asked me who he was, but I didn’t know his name. However, I heard from a friend who told me how one of the singers stood down there every day and looked up. I thought, that must be the ‘Brother.’”
„Es33-7 flocht sich seit jener Zeit ein inniges Freundschaftsband zwischen uns. Nach ihrer Genesung zog sie mit der Mutter weit weg, aber ich durfte mit ihr korrespondieren. Ich lernte nun mit eisernem Fleiß, um meine Studien33-8 zu vollenden. Ich war nicht unbemittelt, und wenn alles gut ging, so konnte ich ihr nach drei Jahren ein Heim bieten. So arbeitete ich fast über meine Kräfte bei Tag und Nacht. Mein Trost waren Elsas Briefe. Plötzlich blieben diese aus. Ich bekam keine Antwort mehr. Auf meine dringenden Bitten an die Mutter schrieb diese endlich, „der Gesundheitszustand Elsas sei derart,34-1 daß sie jede Aufregung vermeiden müsse.“ Das34-2 warf mich vollends nieder. Ich war ohnehin schon durch übernächtige Arbeiten erschüttert, aber das gab mir den letzten Stoß. Wochenlang lag ich zwischen Leben und Tod. Als ein alter Mensch bin ich vom Bette aufgestanden, da fand ich zwei Briefe—von der Hand dieses Fräuleins hier, einer nahen Freundin Elsas, die34-3 mir Aufschluß gaben. Die Mutter hatte nämlich ihr und ihres Kindes Vermögen bei einem Bankhause verloren. In ihrer Not wandte sie sich an einen Onkel Elsas, der eben so alt wie reich war. Er half auch, aber ließ allmählich seine Absicht auf die Hand Elsas merken. Als er deutlicher damit hervortrat, wehrte sie sich aufs34-4 entschiedenste. Die Mutter sah mit gramvollem34-5 Herzen der Sache zu. Vor Elsa stand die Möglichkeit, durch die reiche Heirat der Mutter zu helfen. Sie liebte mich—aber es deuchte ihr zu lange, bis ich ihr ein Heim bieten könnte, und überhaupt—ich hatte ja doch bisher nur wie ein Bruder zu ihr gestanden. Die Mutter hatte dem Onkel das Geheimnis unserer Liebe unbedacht verraten, und er verbot, als Bedingung seiner weiteren Hilfe, jedes weitere Korrespondieren mit dem jungen Manne. Elsa hatte mir dies durch ihre Freundin schreiben lassen und wartete auf Antwort. Da eben erkrankte ich, und alle meine Briefe blieben uneröffnet bis zu meiner Genesung. Ich öffnete den zweiten Brief, dessen kurzer Inhalt war: Elsa konnte mein Schweigen nicht anders auslegen, als daß ich sie vergessen. Aber sie blieb dennoch fest und standhaft und wollte lieber alle Mittel des Onkels ausschlagen, als einem Manne die Hand geben, den sie nicht liebte. So arbeitete sie denn die Nächte durch,35-1 um ihre Mutter und sich zu erhalten. Aber die zarte Gesundheit fing an zu wanken: der Typhus hatte damals doch eine krankhafte Reizbarkeit der Lunge35-2 zurückgelassen, die35-3 jetzt wieder aufs neue sich Bahn brach. Nach dem Lesen der Briefe wäre35-4 ich fast wieder in Krankheit gesunken, aber es galt ein anderes Leben als das meinige. Ich schrieb der Freundin, mein Vermögen stehe zur Verfügung und schickte sofort eine Summe, um Elsa und ihre Mutter zum Aufenthalte im Süden zu bewegen. Meine Staatsprüfung machte ich halb krank und begehrte nach meiner Anstellung sofort Urlaub, der mir aber verweigert wurde. Ich hielt bei der Mutter um die Hand Elsas an, die derweilen nach Nizza35-5 gegangen. Elsa schrieb die glücklichsten Briefe, ihre Gesundheit stärkte sich von Tag zu Tage. Ich hatte mir endlich Urlaub beim Minister erwirkt. Elsa war nach Florenz35-6 gegangen, in Rom wollten wir uns treffen. Ich eilte über die Alpen, kam in Rom an und flog zum „Hotel Minerva“. Das Stubenmädchen, das35-7 mich melden sollte, schaute mich groß35-8 an und sagte: „Sind Sie ein Doktor? Signora35-9 ist sehr krank, o sehr krank!“ Ich öffnete bebenden Herzens35-10 die Thüre. Ein Nachtlicht brannte durch die dämmerige Stube. „Ist Robert noch nicht da?“35-11 hörte ich eine weiche, sanfte Stimme fragen. Ich fühlte mein Herz hörbar schlagen und winkte der Mutter. „O er ist gewiß da, ich fühl’ es,“ sagte die Kranke. So trat ich ans Bett. Ja, da lag sie, eine sterbende Blume. Tags zuvor hatte sie einen heftigen Blutsturz gehabt, der ihr die letzte Kraft nahm.—Erlassen Sie mir, das Wiedersehen zu beschreiben. Elsas Leben flammte noch einmal auf. Sie hatte sich soweit erholt, daß sie mit uns vor die Thore Roms fahren konnte. Wir kamen an der Cestiuspyramide am Monte Testaccio36-1 vorbei. „Eine Pyramide,“ rief sie leuchtend,36-2 „laß uns zur Pyramide fahren!“ Wir bogen ein. Es war schon Abend. „Ach da ist ja ein Kirchhof,“ sagte sie leise. „Wer wird da begraben unter diesen schönen Cypressen?“—„Die deutschen36-3 Ketzer,“ sagte unser Vetturin, „die nicht an Madonna glauben.“ Elsa war still geworden. Ich wickelte sie fester in den Plaid, da es sehr kalt wurde. Wir fuhren nach dem Gasthof. In der Nacht überfiel sie ein zweiter Blutsturz, sie schaute mich mit einem großen, langen Blick an, dann umschlang sie meinen Hals und sagte: „Leb wohl, mein guter Bruder, mein—“ da stockte ihr Atem, das Leben war entflohen.“
„Since that time, a deep friendship formed between us. After her recovery, she moved far away with her mother, but I was allowed to correspond with her. I worked tirelessly to complete my studies. I wasn’t poor, and if all went well, I could offer her a home in three years. So, I labored almost beyond my strength, day and night. My comfort came from Elsa's letters. Suddenly, they stopped coming. I received no more replies. After my urgent pleas to her mother, she finally wrote that Elsa's health was such that she needed to avoid any excitement. This completely crushed me. I was already shaken from sleepless nights, but this was the final blow. For weeks, I lay between life and death. When I finally got out of bed like an old man, I found two letters from this young lady here, a close friend of Elsa's, that provided me with insight. Her mother had lost her and her child's fortune with a bank. In her distress, she turned to an uncle of Elsa's, who was as old as he was wealthy. He helped, but gradually revealed his intentions towards Elsa. When he became more explicit, she resisted as fiercely as she could. Her mother watched the situation with a heavy heart. Elsa had the option to help her mother through a wealthy marriage. She loved me—but she thought it would take too long for me to provide her with a home, and after all—I had only ever treated her as a brother. The mother had unwittingly revealed our secret love to the uncle, and he forbade, as a condition for his further assistance, any further correspondence with the young man. Elsa had her friend write this to me and was waiting for a response. Just then, I fell ill, and all my letters remained unopened until I recovered. I opened the second letter, which contained a brief message: Elsa could only interpret my silence as me forgetting her. But she remained steadfast and resolute, preferring to refuse all of her uncle's offers than to marry a man she didn’t love. So, she worked through the nights to provide for her mother and herself. However, her fragile health began to falter: typhus had left her with a lingering irritability of the lungs that was now flaring up again. After reading the letters, I nearly fell ill again, but there was another life at stake besides my own. I wrote to her friend, offering my financial support, and immediately sent a sum to encourage Elsa and her mother to spend time in the south. I took my state exam half-sick and immediately requested leave after securing my position, which was denied. I asked Elsa’s mother for her hand, who had meanwhile gone to Nice. Elsa wrote the happiest letters, and her health improved day by day. I finally managed to get leave from the minister. Elsa had gone to Florence; we planned to meet in Rome. I hurried across the Alps, arrived in Rome, and rushed to the “Hotel Minerva.” The maid who was supposed to announce me looked at me wide-eyed and said, “Are you a doctor? Signora is very ill, oh so very ill!” With a trembling heart, I opened the door. A nightlight burned in the dim room. “Is Robert not here yet?” I heard a soft, gentle voice ask. I felt my heart pounding and waved to her mother. “Oh, he must be here, I feel it,” said the sick woman. So, I approached the bed. Yes, there she lay, a dying flower. The day before, she had a violent hemorrhage that had taken her last strength.—Forgive me for not describing our reunion. Elsa's life flared up once more. She had recovered enough that she could go with us to the gates of Rome. We passed the Cestius Pyramid at Monte Testaccio. “A pyramid,” she exclaimed brightly, “let’s go to the pyramid!” We turned in. It was already evening. “Oh, there’s a cemetery,” she said softly. “Who is buried there under these beautiful cypress trees?”—“The German heretics,” replied our coachman, “who do not believe in Madonna.” Elsa had grown silent. I wrapped her more tightly in the plaid as it had become very cold. We drove back to the inn. That night, she suffered a second hemorrhage, looked at me with a long, deep gaze, then wrapped her arms around my neck, saying: “Farewell, my good brother, my—” then her breath stopped, and life slipped away.”
Nach einer Weile fuhr der Assessor fort: „Zwei Tage darauf haben wir sie unter den Cypressen dort begraben, sie—und mein Leben mit ihr. Achtzehn Jahre sind darüber hin.36-4—Ich habe mich fern vom Treiben der Menschen still in den bayrischen Wald geflüchtet und über der Arbeit wohl36-5 mich, aber nicht meine Elsa vergessen. Der Aktenstaub hat sich mir übers Herz gelagert, und ich bin nachgerade beim philisterhaften Junggesellen angelangt. Mir37-1 ist aber, als wäre ich heute von einem langen Schlafe und schweren Traume erwacht. Fräulein Milla, Sie sind schuld, und Sie, meine Herren, mit ihren Liedern. Wissen Sie, wohin ich möchte?37-2 Nach Rom zur Cestiuspyramide; nur eine37-3 Stunde will ich dort unter den Cypressen ruhen und dann wieder heim37-4 zum Landgericht in meine Klause und zu der alten Lena, die so oft die Pyramide im Bilde beschaut und mich fragt, ob das auch eine Kirche sei.“—
Nach einer Weile fuhr der Assessor fort: „Zwei Tage später haben wir sie unter den Zypressen dort begraben, sie—und mein Leben mit ihr. Achtzehn Jahre sind vergangen.36-4—Ich habe mich fern vom Treiben der Menschen still in den bayerischen Wald zurückgezogen und über der Arbeit wohl36-5 mich, aber nicht meine Elsa vergessen. Der Aktenstaub hat sich mir aufs Herz gelegt, und ich bin schließlich zum biedermeierlichen Junggesellen geworden. Mir37-1 ist aber, als wäre ich heute von einem langen Schlaf und schweren Traum erwacht. Fräulein Milla, Sie sind schuld, und Sie, meine Herren, mit ihren Liedern. Wissen Sie, wohin ich möchte?37-2 Nach Rom zur Cestiuspyramide; nur eine37-3 Stunde will ich dort unter den Zypressen ruhen und dann wieder nach Hause37-4 zum Landgericht in meine Kammer und zu der alten Lena, die so oft die Pyramide auf einem Bild betrachtet hat und mich fragt, ob das auch eine Kirche sei.“—
Der Assessor schwieg. Der treuherzige, zweite Tenor schlang den Arm um ihn und sagte ihm als Trost ins Ohr: „Ich bin auch ein Waisenkind!“
Der Assessor schwieg. Der gutmütige zweite Tenor legte seinen Arm um ihn und flüsterte ihm zur Tröstung ins Ohr: „Ich bin auch ein Waisenkind!“
Fräulein Milla, die „Vorsteherin“, war noch ganz in ihre Gedanken verloren, die Vergangenheit zog an ihr vorüber. Sie hatte die Todesnachricht ihrer Freundin von Roberts Hand empfangen, dann aber nichts mehr gehört, da die Mutter Elsas aus Gram ihre Tochter nicht lange überlebte.
Fräulein Milla, the "Director," was still deep in her thoughts, reflecting on the past. She had received the news of her friend's death from Robert, but then she hadn't heard anything more, as Elsa's mother, stricken with grief, did not survive her daughter for long.
Das Reden wurde ihr37-5 offenbar schwer. Zuletzt aber faßte sie sich und sagte: „Finden Sie keine Ähnlichkeit unter diesen Mädchen mit Ihrer Elsa? Schauen Sie sie37-6 einmal37-7 recht37-8 an!“
Das Reden fiel ihr offensichtlich schwer. Schließlich fasste sie sich und sagte: „Sehen Sie da keine Ähnlichkeit zwischen diesen Mädchen und Ihrer Elsa? Schauen Sie sie sich doch einmal richtig an!“
Der Assessor sagte: „Ja, die eine fiel mir schon lange auf, aber ich traute doch nicht ganz meinem Urteil.“
Der Assessor sagte: „Ja, die eine ist mir schon lange aufgefallen, aber ich traute meinem Urteil nicht ganz.“
„Nun ja, sie sind nicht aus der Art geschlagen. Sie wissen, daß Elsa einen Bruder hatte, der nach dem Tode der Mutter in unserm Hause erzogen wurde. Er heiratete später meine jüngste Schwester, und das37-9 sind ihre Kinder. Sie hielten mich wohl38-1 alle, meine Herren, für eine gestrenge Institutsdame! Ich bin es nicht, wir haben uns nur fremden Leuten gegenüber die Maske auferlegt, um unbelästigt durchzukommen. Ich bin die Tante der Kinder.“
„Well, they’re not out of the ordinary. They know that Elsa had a brother who was raised in our home after our mother passed away. He later married my youngest sister, and those are their children. You probably all thought, gentlemen, that I was a strict governess! I’m not; we just put on a mask in front of strangers to get through without any trouble. I am the children’s aunt.“
Jetzt ging auch den Studios ein Licht38-2 auf, und sie begriffen die heitere38-3 „Vorsteherin“. Es war derweilen Mitternacht geworden. Der Engländer saß tief versunken da. Die Geschichte hatte ihn wunderbar getroffen, er redete kein Wort mehr, sondern stand auf und verbeugte sich artig gegen die Damen, schüttelte aber dem Assessor warm die Hand, als wäre er sein bester Freund. Den Studenten dankte er für den Gesang und rief seinen James.
Jetzt wurde den Studios endlich klar, und sie verstanden die fröhliche „Vorsteherin“. Es war inzwischen Mitternacht geworden. Der Engländer saß tief in Gedanken versunken da. Die Geschichte hatte ihn sehr berührt, er sagte kein Wort mehr, stand jedoch auf und verbeugte sich höflich vor den Damen, schüttelte aber dem Assessor herzlich die Hand, als wäre er sein bester Freund. Den Studenten dankte er für den Gesang und rief nach seinem James.
„James—du räumst38-4 unsere Stube aus, daß die Damen da schlafen können. Wir werden das Stroh suchen.“
„James—can you clean up38-4 our room so the ladies can sleep there? We’ll look for the straw.”
Trotz aller Gegenvorstellungen von Seiten Fräulein Millas blieb’s38-5 dabei.
Trotz aller Gegenvorstellungen von Seiten Fräulein Millas blieb’s38-5 dabei.
Die Eingeborenen hatten schon längst ihr Lager gesucht.
Die Einheimischen hatten schon lange ihr Lager gesucht.
Draußen war’s stille geworden, das Schneetreiben hatte sich gelegt.
Draußen war es ruhig geworden, der Schneefall hatte aufgehört.
Die Studenten schliefen bald den gesunden Jugendschlaf, aber der Assessor blickte noch lange hinaus in die mondhelle, glänzende Nacht und über das große Leichentuch, das der Schnee über die Matten und Bergspitzen geworfen.
Die Studenten schliefen bald einen gesunden Schlaf in ihrer Jugend, aber der Assessor schaute noch lange hinaus in die mondhelle, glänzende Nacht und über das große Leichentuch, das der Schnee über die Wiesen und Bergspitzen gelegt hatte.
Der Tag graute. Die Führer waren früh auf, um dem Wetter nachzuspüren und den Schnee zu prüfen. Mit einiger Vorsicht konnte man es schon wagen, weiter zu ziehen. Der Assessor war schon munter und wartete auf Fräulein Milla, sie hatten sich39-1 ja noch so viel zu sagen! Milla erschloß ihr Herz dem vereinsamten Freunde ihrer Elsa, und ihm war39-2 es, wie wenn ein lang verhaltener Strom endlich sich Bahn brechen durfte.
Der Tag begann zu dämmern. Die Führer standen früh auf, um das Wetter und den Schnee zu überprüfen. Mit etwas Vorsicht konnte man es jetzt wagen, weiterzuziehen. Der Assessor war bereits munter und wartete auf Fräulein Milla, sie hatten sich schließlich noch so viel zu sagen! Milla öffnete ihr Herz für den einsamen Freund ihrer Elsa, und es war für ihn, als ob ein lange zurückgehaltener Strom endlich seinen Weg brechen durfte.
Die Studenten zählten indessen „die Häupter39-3 ihrer Lieben,“ d. h.39-4 ihre Gulden und Kreuzer und addierten und subtrahierten die Zeche. Da trat auch der Engländer herein. Die drei grüßten ihn freundlich.
Die Studenten zählten inzwischen „die Köpfe ihrer Lieben,“ das heißt ihre Goldmünzen und Silbermünzen und rechneten die Rechnung zusammen. Da kam auch der Engländer herein. Die drei begrüßten ihn freundlich.
„Nun wohin?“39-5—fragte er.
"Where to now?" __A_TAG_PLACEHOLDER_0__ — he asked.
„Wohin?—heim, wo wir hergekommen. Wir werden noch ein Konzert veranstalten, ehe wir diesen Platz verlassen.“
„Where to?—home, where we came from. We will hold one more concert before we leave this place.“
„O nein,“ sagte der Engländer, „Sie sollen nicht heim, Sie sollen sehen Italien mit mir, wenn Sie wollen, und mir dann und wann ein Lied singen.“
„Oh no,“ said the Englishman, „you shouldn’t go home, you should see Italy with me if you want, and sing me a song now and then.“
Die Studenten wußten nicht, wie ihnen geschah.
Die Studenten wussten nicht, was mit ihnen passiert war.
„Mr. Brown,“ sagte der zweite Tenor, „das ist sehr edel von Ihnen, aber zu teuer für Sie, denn wir sind allesamt mit einem guten Magen behaftet.“
„Mr. Brown,“ said the second tenor, “that’s very noble of you, but it’s too expensive for you, since we all have a good appetite.”
Die Führer mahnten zum Aufbruch. Der alte Gemsbart40-1 nahm das Ränzel des Assessors.
Die Anführer forderten zum Aufbruch auf. Der alte Gemsbart40-1 nahm das Ränzel des Assessors.
Der junge Eheherr zog mit seiner Frau und den Damen abwärts der Ebene zu,40-2 die andern hinab nach Italien. Man hatte sich gegenseitig die Namen und Adressen mitgeteilt, und alle schieden, indem40-3 sie das Schneetreiben segneten, das sie zusammengeweht. Der Tauernwirt sandte allen noch einen hellen Juchzer nach, denn Mr. Brown hatte ihm seinen40-4 guten Kaiser Franz Joseph40-5 in Gold als Extrageschenk zurückgelassen. — — —
Der junge Eheherr zog mit seiner Frau und den Damen die Ebene runter zu 40-2, die anderen nach Italien. Sie hatten sich gegenseitig ihre Namen und Adressen gegeben, und alle verabschiedeten sich, während 40-3 sie das Schneetreiben segneten, das sie zusammengebracht hatte. Der Tauernwirt rief allen noch einen fröhlichen Juchzer nach, denn Mr. Brown hatte ihm seinen 40-4 guten Kaiser Franz Joseph 40-5 in Gold als Extra-Geschenk zurückgelassen. — — —
Der Verfasser könnte nun hier schließen, aber die geneigte Leserin ist neugierig, und möchte für ihr Leben40-6 gern wissen, wie das schließlich noch geendet hat. Darum will er noch ein paar Worte hinzufügen:
Der Autor könnte jetzt hier aufhören, aber die interessierte Leserin ist neugierig und möchte wissen, wie das schließlich ausgegangen ist. Deshalb möchte er noch ein paar Worte hinzufügen:
An einem schönen Tag, das Jahr darauf, klopft’s40-7 am Niederrhein bei40-8 dem jungen Eheherrn, als er gerade seinen kleinen Schreihals herumtrug. „Annlies! avanti!“ riefen draußen zwei Stimmen. Dem Eheherrn wird’s40-9 ganz italienisch zu Mut, und er ruft: „Entrate pure!“40-10—d. h. „als40-11 herein!“ Da stehen zwei vor ihm und schauen ihn an. „Nun—wer sind wir?“ fragen sie.
An einem schönen Tag, das Jahr darauf, klopft’s40-7 am Niederrhein bei40-8 dem jungen Eheherrn, als er gerade seinen kleinen Schreihals herumtrug. „Annlies! let's go!“ riefen draußen zwei Stimmen. Dem Eheherrn wird’s40-9 ganz italienisch zu Mut, und er ruft: „Come on in!“40-10—d. h. „als40-11 herein!“ Da stehen zwei vor ihm und schauen ihn an. „Nun—wer sind wir?“ fragen sie.
Der Assessor war damals bald umgekehrt, denn ihn trieb ein anderer Gedanke nach Hause. Er war durch jenen Abend dem Leben zurückgegeben und hatte Milla seine Hand gereicht. Alles wanderte41-3 fort, Blasenpflaster, Opodeldoc und Storchfetttopf, und Milla sah aus, wie41-4 wenn sie eben in die Zwanzig gekommen. Was die alte Lena dazu gesagt, wird billig verschwiegen.—
Der Assessor war damals schnell umgekehrt, denn ihn trieb ein anderer Gedanke nach Hause. Er war durch diesen Abend dem Leben zurückgegeben worden und hatte Milla seine Hand gereicht. Alles wanderte41-3 weg, Blasenpflaster, Opodeldoc und Storchfetttopf, und Milla sah aus, als wäre sie gerade zwanzig geworden. Was die alte Lena dazu gesagt hat, wird verschwiegen.—
Der zweite Tenor ist41-5 schon lange ein würdiger Pfarrherr. In seinem Hause ist’s41-6 behaglich englisch41-7 eingerichtet. Am Abend brummt der Theekessel, und der Pfarrherr raucht vom feinsten41-8 dazu.41-9 Zu seiner Seite sitzt ein munteres Weibchen immer vergnügt und heiter;—sie heißt Elsa mit Vornamen, die kluge unter den drei Schwestern. Bei ihrer Hochzeit war Mr. Brown der Brautführer und Milla die Brautmutter. Die andern zwei Studenten waren die Ehrgesellen dabei, und der Assessor, der längst schon ein angesehener Landgerichtsrat ist, gab ihnen den Rat, seinem41-10 Beispiele baldigst zu folgen. An der Hochzeitstafel klang41-11 „Ännchen von Tharau“ noch einmal; aber Mr. Brown wußte jetzt, was „Verknotigung“ war.
Der zweite Tenor ist41-5 schon lange ein würdiger Pfarrer. In seinem Haus ist’s41-6 gemütlich englisch41-7 eingerichtet. Am Abend läuft der Wasserkocher, und der Pfarrer raucht das feinste41-8 dazu.41-9 Neben ihm sitzt eine lebhafte Frau, immer fröhlich und heiter;—sie heißt Elsa und ist die kluge unter den drei Schwestern. Bei ihrer Hochzeit war Mr. Brown der Trauzeuge und Milla die Trauzeugen. Die anderen zwei Studenten waren die Ehrengäste dabei, und der Assessor, der längst ein angesehener Richter ist, gave ihnen den Rat, seinem41-10 Beispiel baldmöglichst zu folgen. An der Hochzeitsfeier klang41-11 „Ännchen von Tharau“ noch einmal; aber Mr. Brown wusste jetzt, was „Verknotigung“ war.